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Neue Innenstadtstudie Essengehen ist in Bremen wichtiger als Einkaufen

Jahrzehntelang galt der Einzelhandel als der größte Frequenzbringer in den Innenstädten. Eine neue Studie zeigt, dass in Bremen ein Wechsel stattfindet. Bremen könnte Vorreiter einer Trendwende sein.
27.11.2024, 05:00 Uhr
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Essengehen ist in Bremen wichtiger als Einkaufen
Von Marc Hagedorn

Städte wie Hannover und Oldenburg bleiben für die Menschen laut einer neuen Innenstadtstudie Einkaufsmetropolen. In Bremen dagegen löst der Gastronomiebesuch erstmals das Einkaufserlebnis als Hauptmotiv für einen Innenstadtbesuch ab. „Das ist ein beachtenswerter Wandel“, sagt Martin Kremming, Geschäftsführer des Cima-Instituts, das im Auftrag der IHK Niedersachsen und des Handelsverbandes Niedersachsen-Bremen im vergangenen Monat 1662 Menschen in Bremen und Niedersachsen zu ihrem Verhalten bei Innenstadtbesuchen befragt hat. Vor allem für junge Konsumenten stünde der Einkauf beim Bummeln durch das Stadtzentrum nicht länger im Vordergrund.

Jahrzehntelang galt der Einzelhandel republikweit als größter Frequenzbringer für Innenstädte. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren die großen Warenhäuser ein Sinnbild des deutschen Wirtschaftswunders. Aber dann kamen seit den 1970er- und 1980er-Jahren die großen Shopping-Center auf, die sich an den Stadträndern niederließen. Seit den 2000er-Jahren macht der Online-Handel dem stationären Handel Kunden abspenstig. Aus Shopping-Städten, so die Studienautoren jetzt, würden mehr und mehr Gastronomiemeilen.

Online-Handel mit China wirkt wie ein „Tsunami“

Der Online-Handel, so eine weitere Annahme, werde diese Trendwende vorantreiben. „Man könnte denken, dass die Potenziale beim Online-Handel langsam ausgereizt sind“, sagt IHK-Handelssprecherin Kathrin Wiellowicz, „aber dem ist nicht so.“ Vor allem die Plattformen aus China – Shein und Temu – seien eine Bedrohung. 400.000 Pakete und mehr kämen inzwischen täglich aus China in Deutschland an, Tendenz steigend. „Das ist ein Tsunami, der unsere Innenstädte trifft“, sagt Wiellowicz.

Tatsächlich stellt die neue Studie einen Besucherrückgang in den Innenstädten fest – interessanterweise auch für Bremen. Dieser Einschätzung widerspricht die Cityinitiative Bremen allerdings vehement. „Entgegen dem allgemeinen Bundestrend liegen die Frequenzen in Bremen-City nach wie vor über dem Vor-Corona-Niveau“, heißt es von der Cityinitiative.

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Für 2024 könne man sogar einige Rekorde vermelden: So seien im Juni so viele Menschen wie nie zuvor seit Einführung des Zählsystems in der Bremer Innenstadt unterwegs gewesen, nämlich mehr als 1,74 Millionen. Auch passend zum Weihnachtsgeschäft trotze Bremen dem Trend: Mehr als 351.000 Besucher in der Woche vom 11. bis 17. November sind ein Rekord.

Wie schafft man Anziehungspunkte in den Innenstädten? Diese zentrale Frage treibt die Stadtplaner und Entscheider deutschlandweit um. Eine Antwort lautet: Treffpunkte schaffen, an denen kein Konsumzwang herrscht, Orte mit hoher Aufenthaltsqualität, Räume für Ruhe und Rückzug. „Interessanterweise scheinen Bibliotheken ein besonderes Potenzial zu haben“, sagt Mark Alexander Krack, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Niedersachsen-Bremen.

„Dritte Orte“ wirken

An sogenannten Dritten Orten wie dem Forum in Groningen, dem Dokk-1 in Aarhus oder dem Oodi in Helsinki spielen Bibliotheken eine zentrale Rolle. In Bremen befindet sich die Stadtbibliothek im ehemaligen Polizeihaus Am Wall. Im Zusammenspiel mit den Restaurants und Cafés im Forum Am Wall herrscht in dem Areal tagsüber ein stetes Kommen und Gehen. „Bremen hat es an dieser Stelle richtig gemacht“, sagt Innenstadtexperte Kremming.

Diejenigen, die den Ort kennen, bestätigen diese Einschätzung. Das Angebot an Bibliotheken wird in Bremen mit einer Durchschnittsnote von 2,8 mit Abstand am besten bewertet vor Osnabrück und Oldenburg.

Die Innenstadtstudie hält für Bremen aber auch bedenkliche Befunde bereit. Ein „triftiges Problem“ habe Bremen zum Beispiel mit seinem Stadtbild. Leerstände und Baustellen fielen Besuchern besonders negativ auf, heißt es. „Das speichern die Menschen ab“, sagt Kremming.

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Für den nächsten Innenstadtbesuch kann das ein großes Problem sein, denn er findet deshalb vielleicht gar nicht mehr statt. 28,8 Prozent der Befragten geben an, dass das Stadtbild in Bremen einen häufigeren Innenstadtbesuch verhindert, der zweitschlechteste Wert. Im Ranking der Großstädte schneidet Bremen in der Frage nach der Sauberkeit mit einer Schulnote von 4,02 ab, auch dies die zweitschlechteste Bewertung.

Schlusslicht ist Bremen laut Studie beim baulichen Zustand der Radwege und bei der Zahl der Parkplätze. Grundsätzlich erhält Bremen in der Frage nach der Erreichbarkeit der Innenstadt mit dem ÖPNV oder dem Rad in der Schulnotenskala mit Bewertungen im Dreier-Bereich aber bessere Beurteilungen als die meisten niedersächsischen Großstädte.

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