Der neue Anzug und die neuen Schuhe, die für die Ausbildung zum Versicherungskaufmann vom neuen Arbeitgeber erwartet werden. Oder ein Zuschuss zur Fahrschule, wenn ein Führerschein vom künftigen Arbeitgeber, beispielsweise von der Bremer Straßenbahn AG, vorausgesetzt wird. Oder die Finanzierung der Teilnahme an einer für das Studium wichtigen Exkursion.
Martin Bertzbach, pensionierter Präsident des Landesarbeitsgerichtes, und seiner Frau Gertrud Janzer-Bertzbach fallen so einige Beispiele ein, wofür sie finanzielle Zuschüsse gegeben haben, um jungen Menschen den Bildungsweg ins Leben zu ebnen. Denn der kann in Bremen mit einer der höchsten Armutsquoten Deutschlands, durchaus steinig sein.
Bildungsbrücke – Initiative für Chancengleichheit im Viertel
Vor zehn Jahren haben die Bertzbachs ihre Janusz-Korczak-Stiftung ins Leben gerufen. Für Kinder, die aus Familien kommen, die finanziell nicht gerade auf Rosen gebettet sind, tritt der Verein Bildungsbrücke – Initiative für Chancengleichheit im Viertel ein, die von der Helga-und-Reinhard-Werner-Stiftung ins Leben gerufen wurde und mit zahlreichen Akteuren und Schulen im Stadtteil zusammenarbeitet.
Zwischen beiden Institutionen besteht ein nahtloser Übergang. So ist Gertrud Janzer-Bertzbach Mitglied im Vertrauensrat der Bildungsbrücke. Pastor Bernd Klingbeil-Jahr ist in beiden Institutionen vertreten. Die Bildungsbrücke gewährt Zuschüsse für Extra-Ausgaben wie Klassenfahrten, die Anschaffung von nötigen Büchern oder beispielsweise auch Tornistern für die Schule. Beiden Institutionen ist es ganz wichtig, dass sie keinesfalls Elite-Förderung betreiben wollen. "Davon gibt es sowieso schon genug", finden die Bertzbachs. Dass die Korczak-Stiftung eine kleine Stiftung ist, betont das Ehepaar, dass pro Jahr Zuschüsse in Höhe von zwölf bis 15.000 Euro gewährt.
Ihr Ziel ist es, dass Jugendliche und junge Erwachsene auch dann den beruflichen Weg gehen können, den sie selbst wünschen und der ihrer Begabung entspricht, wenn sie dazu finanzielle Unterstützung benötigen. So, wie es einst Janusz Korczak, der Namensgeber der Stiftung, formulierte: "Wie soll das Kind morgen leben können, wenn wir ihm heute kein bewusstes, verantwortungsvolles Leben ermöglichen?"
Der 1878 in Warschau geborene polnische Arzt, Pädagoge und Autor sei den jungen Menschen stets auf Augenhöhe begegnet. Er engagierte sich für Kinder aus armen Familien, sagt Gertrud Janzer-Bertzbach. Vor etwa 100 Jahren gründete er ein Waisenhaus und leitete es gemeinsam mit Kindern und Jugendlichen, die darin wohnten. Aus diesen Erfahrungen entwickelte Korczak Ideen für eine demokratische Erziehung und forderte prinzipielle Rechte für Kinder ein. Als seine Waisenkinder von den deutschen Besatzern 1942 in das Vernichtungslager Treblinka deportiert wurden, ging er mit ihnen in den Tod. "Wir wollen als Janusz-Korczak-Stiftung sein Andenken bewahren und seine Impulse für Selbstbestimmung und Chancengleichheit gerade auch für Kinder und Jugendliche, die mit schwierigen Rahmenbedingungen umzugehen haben, verwirklichen", sagen die Stiftungsgründer.
Persönliche Gespräche sind nicht mehr möglich
Vorzugsweise lernen sie die jungen Leute auch im persönlichen Gespräch kennen, was allerdings die Omikron-Variante des Coronavirus gerade sehr erschwert. In den vergangenen beiden Pandemie-Jahren sei das noch mit Maske und unter Einhaltung des nötigen Abstands möglich gewesen.
Auch nach bestandenem Studium oder Ausbildung bleibe oft noch der Kontakt bestehen, sagt Gertrud Janzer-Bertzbach. Da ist beispielsweise der junge Migrant aus Afghanistan, der im Rekordtempo Deutsch gelernt und das zweitbeste Abitur in seiner Oberstufe absolviert habe. "Wenn seine Mutter in Bremen ist, backt sie immer afghanische Spezialitäten für uns", erzählt sie. Oder es komme mal jemand mit einem Blumenstrauß vorbei und berichte von ihrem oder seinem Werdegang.