„Schnellschuss“, „Aktionismus“, „Zu kurz gegriffen“ – das sind einige der Reaktionen auf die Pläne von Verkehrssenator Joachim Lohse (Grüne), nach dem tödlichen Unfall auf der Bürgermeister-Smidt-Straße Tempo 30 prüfen zu lassen. Die Strecke, die geprüft werden soll, reicht von der Neustadt bis zum Breitenweg auf der City-Seite.
„Wir sehen das kritisch“, sagt der Innenstadtbeauftragte der Handelskammer, Olaf Orb. Für Tempo 30 müssten konkrete Maßstäbe bei der Prüfung angelegt werden – ob der Bereich einen Unfallschwerpunkt darstelle, ob es Einrichtungen wie Pflegeheime, Kitas oder Schulen an der Strecke gebe und ob der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) durch eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf der Straße „ausgebremst“ würde.
Denn: Wenn Fahrzeuge auf der Straße nur noch 30 Stundenkilometer fahren dürften, müsse dies im Grunde auch für Busse und Bahnen gelten. „Es nützt aber auch niemandem, wenn Busse und Bahnen langsamer fahren, als sie eigentlich könnten. Denn wir wollen ja, dass der ÖPNV schneller wird. Das ist dann ein Argument gegen Tempo 30“, betont der Innenstadt-Experte.
„Man muss sehr genau abwägen, ansonsten halten wir an der Regel-Geschwindigkeit von Tempo 50 für das Hauptstraßennetz fest. So, wie im Verkehrsentwicklungsplan verabredet.“ Tempo 30 für die gesamte Strecke sehe die Kammer ohnehin nicht. Den Bau der bereits beschlossenen Fußgängerüberwege, etwa direkt an der Schlachte, unterstütze die Kammer aber ausdrücklich.
Massive Kritik kommt von der City-Initiative: „Geschwindigkeitsbegrenzungen, Rückbau und Einengungen von Straßen können wir nicht wollen“, warnt der stellvertretende Vorsitzende, Stefan Storch. „Eine lebendige Innenstadt – und gerade die Bremer City – ist darauf angewiesen, dass Pkw-Verkehr vor allem auch aus dem weiteren Umland in die Stadt fahren kann. Es ist nicht der richtige Weg, den Verkehr zu drangsalieren und auszuschließen.“ Für mehr Sicherheit sollte die Einhaltung von Geschwindigkeitsbegrenzungen kontrolliert werden, fordert er. „Da passiert aber gar nichts, der ruhende Verkehr hingegen wird in Perfektion überwacht.“
CDU warnt vor Domino-Effekt
Tempo 30 werde die Situation am Brill nicht entschärfen, ist der verkehrspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Heiko Strohmann, überzeugt. Das sei aktionistisch. Die Brill-Kreuzung werde immer ein problematischer Punkt bleiben, das hänge auch mit der Straßenbahn zusammen. Vor allem die geplanten Ampelanlagen an den Fußgängerüberwegen hält Strohmann für „fatal“.
„Das wird Rückstaus bis zum Breitenweg verursachen und zu Chaos führen. Und auch in die andere Richtung hat dies Auswirkungen in die Richtung B 75 und Woltmershausen.“ Bei der Verkehrsplanung dürfe nie ein Punkt isoliert betrachtet werden, so Strohmann, es gebe immer einen Domino-Effekt.
Als „Schnellschuss“ bezeichnet auch Lencke Steiner den Vorstoß des Grünen-Senators: Die Vorsitzende der FDP-Fraktion fordert, die Fußgänger- und Verkehrsführung am Brill komplett auf den Prüfstand zu stellen – ohne Denkverbote. „Aus unserer Sicht sollte über eine mögliche Verlegung der Straßenbahnhaltestellen am Brill und am Wall sowie über eine Wiedernutzung des Brill-Tunnels nachgedacht werden“, so Steiner.
Tempo 30 sei ein richtiger Schritt, für mehr Sicherheit an der Brill-Kreuzung reiche das aber nicht aus, so die Kritik der Linken. Für Michael Horn, Mitglied im Landesvorstand, birgt die Ampelschaltung am Brill besonderes Gefahrenpotenzial: „Der Verkehr in diesem Bereich muss generell neu gedacht werden. Komplette Rotphasen auf den Verkehrsachsen am Brill könnten zu einer Entschleunigung führen und es den Fußgängern ermöglichen, gefahrlos und schnell von einer Straßenbahn zur anderen zu kommen.“
Der Koalitionspartner SPD unterstützt die Pläne: „Alles, was die Verkehrssicherheit vergrößert, sollte man ausprobieren“, betont die verkehrspolitische Sprecherin Heike Sprehe. „Nach einer Probezeit sollte der Effekt bewertet und je nach Ergebnis weiter nachgesteuert werden.“ Bei einer nicht-repräsentativen Umfrage von WESER-KURIER online haben 54,6 Prozent der Nutzer (276 Stimmen) für und 45,4 Prozent (229) gegen Tempo 30 gestimmt.