"In den Zeiten von Social Media finden die Leute immer weniger Zeit, in Ruhe ein Buch zu lesen", stellt Axel Stiehler fest. Der gelernte Drucker und Grafiker betreibt seit 2012 mit seiner Frau Sabine die Buchhandlung Logbuch an der Vegesacker Straße. Beide möchten dem Trend etwas entgegensetzen, mit niederschwelligen Angeboten, bei freiem Eintritt. Sabine Stiehler veranstaltet unter anderem Lesekreise, ihr Mann richtet jetzt – am 28. Januar – zum zweiten Mal eine "Silent Reading Party", ein Lesen in aller Ruhe. "Die Idee kommt aus Amerika", erläutert Axel Stiehler, "langsam fasst sie auch bei uns Fuß, auch in Cafés und Bibliotheken."
Die Aktion direkt nach Ladenschluss ab 18.30 Uhr sei ein Angebot zur Konzentration und im Grunde sehr asketisch. "Es gibt nicht die Möglichkeit, in unserer Buchhandlung zu stöbern oder ein Buch zu erwerben, vielmehr bringen alle Interessenten Bücher mit, die sie schon immer mal anfangen oder zu Ende lesen wollten," so das Prinzip. "Die Bücher müssen noch nicht mal bei uns gekauft sein," fügt der Buchhändler schmunzelnd hinzu. Man sitze einfach mit anderen Menschen in einem Raum, jeder mit einem Buch auf einem Stuhl und ohne Handy: "Das ist herrlich unaufgeregt, keiner macht einen Mucks. Es ist erstaunlich, welch wohltuende Stille dann entsteht. Wie viel Ruhe Menschen ausstrahlen können."
Die guten Erfahrungen aus dem vergangenen Jahr bestärken Axel Stiehler. Damals sei ein gutes Dutzend Interessenten gekommen, ältere ebenso wie jüngere, und keineswegs nur Menschen aus Walle. "Das Verhältnis von Einzellesern zu Paaren lag bei 50 zu 50. Man kann den Abstecher zum Silent Reading so verstehen, als ob man mit dem Partner oder der besten Freundin ins Museum oder Theater geht, da redet man auch nicht viel." Eine Besucherin habe hinterher gestrahlt und erklärt: "Seit ewigen Zeiten habe ich nicht mehr so viel am Stück gelesen."
Damals im Sommer stellte Stiehler auch Liegestühle vor die Buchhandlung, diesmal werde er die Stühle so in der Buchhandlung verteilen, dass alle ihre Nische hätten. "Für gut 20 Leserinnen und Leser ist Platz, Wein und nichtalkoholische Kaltgetränke bieten wir zum Selbstkostenpreis an."
Zwei Stunden ohne Handy
Natürlich spreche das Format nicht jeden an, weiß der Bücherfreund. "Viele ziehen sich lieber daheim mit einem Buch aufs Sofa zurück." Aber zu Hause gebe es eben auch viele Ablenkungsmöglichkeiten, die Kinder, die nächste Ladung Wäsche oder Geschirr und das Handy sowieso. Da gehe der Drang, ein Buch anzufangen, schnell verloren. "Wir bieten eine Rückzugsmöglichkeit in angenehmer Umgebung. Man hat einen festen Termin, um auszubrechen. Beim Silent Reading ist man mit sich selbst verabredet."
Zwei Stunden Zeit währt die leise Veranstaltung, da lassen sich schon ein paar Kapitel wegschmökern. "Aber man kann zwischendrin jederzeit gehen", betont Stiehler. Was seine Besucher im Sommer lasen, hat er nicht genau vermerkt: "In aller Regel ist es Belletristik." In einer Zeit immer radikalerer Socia-Media-Schreierei sei Silent Reading eine gute Möglichkeit, den Kopf freizubekommen: "Das ist aufregendes Nichtstun."