Bremen. Gustav Pauli blieb 15 Jahre, Emil Waldmann 33 Jahre. Günter Busch füllte die Position des Kunsthallen-Direktors fast vier Jahrzehnte aus, sein Nachfolger Siegfried Salzmann aus gesundheitlichen Gründen nur acht Jahre. Wulf Herzogenrath, der vorerst letzte leitende Angestellte des Bremer Kunstvereins, brachte es auf 17 Jahre. Am 23. September wird er nun offiziell verabschiedet. Zuerst erhält er im Rathaus die Bremische Medaille für Kunst und Wissenschaft. Im Anschluss daran verabschiedet sich der Kunstverein offiziell in der Kunsthalle von Wulf Herzogenrath.
Einen "Kommunikator der Künste" - wohlgemerkt, der Künste, nicht der Kunst - hat ihn ein Journalist mal genannt. "Godfather of Video Art in Germany" ist so ein anderer publizistischer Versuch, die Qualitäten des Kunsthistorikers Professor Dr. Wulf Herzogenrath auf den Punkt zu bringen. Wie immer bei der Verwendung solcher Schlagworte stimmen die Zuschreibungen nur zum Teil, werden dem gesamten Spektrum der geleisteten Arbeit nicht annähernd gerecht.
Herzogenrath ist ein glänzender Kommunikator und Vermittler, ein Experte der Künste, der seinen Gesprächspartnern nie das Gefühl gibt, sie könnten ihm fachlich ohnehin nicht das Wasser reichen. Hochnäsigkeit oder Arroganz sind ihm völlig fremd. Kluger Pragmatismus und eine Portion Eitelkeit, die nicht auf ihn als Person, sondern auf sein jeweiliges inhaltliches Anliegen bezogen ist, wohnen ihm jedoch inne. Er stand und steht für die Sache der Künste, genauer, für die Sache der Kunsthalle - und da war ihm in den vergangenen 17 Jahren beinahe jedes kommunikative Mittel recht, um sein Haus in ein gutes Licht zu rücken.
Kommunikator der Künste
Selbst als ihm 1998 die Stelle des ersten Direktors im Karlsruher Zentrum für Kunst und Medientechnologie (ZKM) angetragen wurde, lehnte er ab. Herzogenrath sah in Bremen trotz aller - inzwischen behobenen - baulichen Unzulänglichkeiten und der anhaltenden wirtschaftlichen Nöte im Umfeld der Kunsthalle hier die besseren Perspektiven für sich. Hier konnte er die Ziele seines Betriebes immer weitgehend unabhängig von äußeren Einflüssen bestimmen und sich auf kompetente Mitarbeiter und seinen Arbeitgeber, den Kunstverein, verlassen. Fragt man nach den Führungsqualitäten des scheidenden Direktors, ist immer von dessen hohen fachlichen Ansprüchen und seinen enormen kommunikativen Fähigkeiten die Rede.
Da ist er wieder, der Kommunikator der Künste, dessen Kunst auch darin bestand und besteht, Brücken zwischen den divergierenden Interessen des Ernsthaften, des Unterhaltsamen und des wirtschaftlich Tragfähigen zu bauen. Die Fachlichkeit des 1944 in Rathenow geborenen Wulf Herzogenrath steht dabei außer Frage - er promovierte über Oskar Schlemmers Wandgestaltung, verfasste schon 1968 eine richtungsweisende Schrift zu "50 Jahre Bauhaus".
Mit 28 Jahren war er in Köln jüngster Direktor eines deutschen Kunstvereins, von 1980 zehn Jahre Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft deutscher Kunstvereine und ab 1989 Hauptkustos der Nationalgalerie Berlin und federführend mit dem Aufbau des "Hamburger Bahnhofs" befasst. Dort schied er 1994 aus - er konnte es nicht mit seinem beruflichen Selbstverständnis in Einklang bringen, dass ein Privatsammler und dessen Berater dieses Haus für Gegenwartskunst zu ihrem "privaten Showroom" machen wollten. Im selben Jahr begann Herzogenraths Bremer Direktorat.
Zu diesem Zeitpunkt galt er schon als besagter "Godfather of Video Art in Germany", als der führende Experte für Videokunst. Anfängliche Befürchtungen bei seiner Berufung nach Bremen, Herzogenrath sei zu sehr ein Mann der Kunst des 20. Jahrhunderts, hat er sehr bald durch seine Praxis zerstreuen können. Mehr noch: Wulf Herzogenrath hat es in seiner Amtszeit immer als großes Glück empfunden, nicht ein Spartenmuseum, sondern ein Haus mit Kunst aus sechs Jahrhunderten führen zu können.
Aus diesem Fundus konnte er wie kein Direktor vor ihm schöpfen, mit seinen Mitarbeitern Ausstellungen entwickeln, die höchsten wissenschaftlichen Ansprüchen genügten, gleichzeitig populär, aber nicht populistisch waren und wiederholt sechsstellige Besucherzahlen generierten - ein Novum in der langen Geschichte der Kunsthalle. Die Popularität resultierte dabei zuallererst aus den gewählten Themen, aus einem geschickten Marketing und aus der Bereitschaft, Kooperationen einzugehen. Natürlich war's das Team, würde Herzogenrath jetzt abwehren. Stimmt - aber der Direktor muss sein Okay geben, Ideen entwickeln, den Kopf hinhalten und das Haus nach Innen und Außen vertreten.
Das hat Wulf Herzogenrath national und international, unter Fachkollegen, vor Kindern der Partnerschulen, in der Wirtschaft, kurz, auf allen gesellschaftlichen Ebenen mit Verve und vielfach auch unter Zurückstellung privater Befindlichkeiten getan - und zwar stets auf Augenhöhe mit seinen Gesprächspartnern. Diese persönliche Wandlungsfähigkeit, die unbedingte Einsicht in die Notwendigkeit von Kooperationen zeichnet ihn aus.
Ob er nun "Noble Gäste" in die großen Museen der Republik entsandte, mit Architekten die zahlreichen Kunsthallen-Umbauten seiner Amtszeit besprach oder die Bäckerinnung als Partner für die großen, publikumswirksamen Ausstellungen gewann - Kommunikation war und ist seine Kunst. Der Direktor geht nun, verlässt Bremen demnächst in Richtung Berlin. Er hat die große Sammlung bewahrt und sogar noch erweitern können, er hinterlässt ein Haus, das unter seiner Leitung zu den führenden Museen der Republik aufstieg. Mehr kann man nicht erreichen.