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Gastkommentar In der Krise oder schon wieder heraus?

Überall heißt es, der Festivalbranche gehe es schlecht. Doch jeder hat es in der Hand, ob es weiterhin Live-Kultur gibt, meint Gastautor Thomas Albert.
11.08.2023, 20:37 Uhr
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Von Thomas Albert

Sommerzeit ist für viele zugleich Festivalzeit, doch über drei Jahre nach Beginn der Pandemie wird derzeit immer mal wieder geunkt, die Branche stecke weiter in der Krise. Na klar. Inflation, gestiegene Kosten für Energie, Personal, Technik und Logistik machen der Veranstaltungsszene zu schaffen.

Mal ehrlich, auch vor Corona war schon vieles „auf Kante genäht“. Jetzt bringt aber jede kleine, so vorher nicht absehbare Kostensteigerung Kalkulationen ins Wanken, die in Teilen schon Monate vorher erstellt werden mussten. Und das Publikum? Vor einem Jahr war noch zu bemerken, dass ein Teil des Publikums aus Angst vor Corona weiterhin Konzertbesuche gemieden hat. Das hat sich mittlerweile geändert, es ist aber auch kein Geheimnis, dass sich angesichts gestiegener Lebenshaltungskosten alle überlegen müssen, wie viel Kultur sie sich leisten können.

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Aber Fakt ist doch: Das Publikum ist zurück. Ob alt, jung oder dazwischen, viele Menschen haben nach Monaten des Verzichts wieder beglückend neu entdeckt, dass man im besten Fall nie aus einem Konzert so herauskommt, wie man hineingegangen ist. Mal ist man vielleicht eher nach innen gerichtet und genießt Musik als Kraftquelle für Reflexion und Inspiration. Mal wird man wie in einer symbiotischen Verschmelzung mit den Besuchern um einen herum von der Aura und Präsenz eines Künstlers förmlich mitgerissen – das sind doch die Pfunde eines Live-Konzerterlebnisses, mit denen wir jetzt wuchern müssen. Live is real, jeder Abend ist neu und anders.

Daher lautet die Antwort auf die Ausgangsfrage, ob Musikfestivals noch in der Krise stecken oder sie überwunden haben: weder noch. Die Gesellschaft, die Politik, ach was, letztlich entscheidet jeder Einzelne genau jetzt selbst darüber mit, welchen Weg die Festivalbranche nimmt. Jeder, der sich sein Leben ohne den Besuch klassischer Konzerte nicht vorstellen kann, ist aufgefordert, in seiner eigenen Umgebung als Botschafter für das unvergleichliche Konzerterlebnis zu werben.

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Denn allen muss klar sein: Jetzt einfach die Eintrittspreise zu erhöhen, um die Herausforderungen der Gegenwart aufzufangen, kann die Lösung nicht sein. Damit würde man nur das Klischee bedienen, Klassik sei elitär und unerreichbar. Und daneben auch noch die bestrafen, die nach Corona den Weg zurückgefunden haben und damit erst ermöglichen, was das Live-Erlebnis so einmalig macht: den direkten Austausch zwischen Künstlern und ­Publikum.

Zur Person

Thomas Albert

ist seit dessen Gründung 1989 Intendant des Musikfests Bremen. Der 70-jährige gebürtige Bremer war Geiger in diversen Ensembles und Professor für Alte Musik an der Hochschule für Künste Bremen.

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