Pling, pling, pling: Auf diese drei Worte reduzieren Spötter gern das Image der Mandoline. Doch da ändert sich gerade etwas. 14 Landesmusikräte haben die "Geige der Arbeiter" zum "Instrument des Jahres 2023" gekürt. Nach der Gitarre 2013 und der Harfe 2016 ist sie das dritte Zupfinstrument, das für das 2008 gestartete Aktionsprogramm ausgewählt wurde, das Interesse am Instrumentalspiel wecken möchte.
Rannte man 2022 mit dem Drumset noch offene Türen ein, so ist die Mandoline bei uns eher ein Exot. Einen letzten Siegeslauf hatte sie um 1900 als Volksinstrument der Wandervögel, es gründeten sich ganze Mandolinenorchester, die "Sinfonieorchester des kleinen Mannes". Den Nachklang dieser Begeisterung pflegt bis heute das Mandolinen-Orchester der Naturfreunde Bremen, das sich 1913 gegründet hat und freitags in der Neustadt probt.
"Die Mandoline klingt so warm, so zart", schwärmt Dirigentin Halina Nazarenka. Vorurteile – zu leise, nur folkloristisch – lässt sie nicht gelten: "Wir spielen auch Titel wie Frank Sinatras "My Way" oder das "Palladio"-Konzert von Karl Jenkins. Die kommen beim Publikum super an." Nazarenka räumt ein, dass es speziell im deutschen Norden Nachwuchssorgen gibt: "Unser Orchester war mal doppelt so groß." Doch sie gibt die Hoffnung nicht auf: In ihrer Heimat Weißrussland etwa, berichtet sie, sei aktuell das russische Nationalinstrument Domra, eine Verwandte der Mandoline, bei vielen Jungs der Hit.
Nicht nur für Frauen
Womit die Musikerin auch gleich das Vorurteil vom typischen Fraueninstrument widerlegt. In Nord- und Südamerika, auch in Italien, ist die Mandoline oft sogar eine reine Männerdomäne. Einer der international bekanntesten Mandolinenvirtuosen, Avi Avital aus Israel, hat die Schirmherrschaft für die Initiative des Musikrats übernommen. Beim Musikfest Bremen war er viermal zu hören, mal 2012 in einer Jazzformation, mal in einem Klassik-Programm wie 2022.
Das charakterisiert die Vielseitigkeit des Instruments. In Europa liegen Wurzeln der Mandoline nämlich in der intimen Barockmusik. Caterina Lichtenberg kennt sich da aus, auf dem weltweit einzigen Lehrstuhl für klassische Mandoline – am Standort Wuppertal der Universität für Musik und Tanz Köln – sitzt dann doch wieder eine Frau. "Die Alte-Musik-Bewegung hat vielen die Ohren für die Manndoline geöffnet", sagt sie. "Plötzlich stellen die Hörer fest: Die Mandoline klingt wunderschön und hat auch den Groove."
Konzerte von Vivaldi bis Hummel sind längst ausgegraben, selbst vier kleine Stücke von Beethovens erleben eine Renaissance. Am berühmtesten ist die gezupfte Begleitung zu Don Giovannis Ständchen in der Mozart-Oper. "Die habe ich schon zu Studienzeiten oft gespielt", erzählt Lichtenberg. "Ebenso die Mandolinenstimmen in der 7. und 8. Sinfonie von Gustav Mahler."
Von Barock bis Bluegrass
In dessen Zeit, gegen 1900, kam das klangverstärkende Tremolo auf, das so manchem die Mandoline verleiden mag. Doch die Mandoline kann mehr als nur tremolieren. Caterina Lichtenberg unterrichtet zum einen die klassische neapolitanische Rundbauchmandoline mit vier Doppelsaiten, die wie eine Geige in Quinten bestimmt ist, zum anderen die schalenförmige Barockmandoline mit sechs Darmsaiten. Sie wird in Terzen und Quarten gestimmt und mit dem Federkiel gespielt: "Die Spieltechnik unterscheidet sich sehr."
Für andere Stilrichtungen ist in Lichtenbergs Mandolinen-Kosmos der Ehemann zuständig, US-Multiinstrumentalist Mike Marshall. Mit dem Spezialisten für Bluegrass, Jazz und Improvisation auf der flachen Gibson-Mandoline tritt sie gern im Duo auf. "Wir erhoffen uns von der Aktion des Musikrats einen tüchtigen Popularitätsschub", unterstreicht die Mandolinistin. "Scheuklappen gibt es bei uns nicht."