Dunkelgrauer Staub so weit das Auge reicht. Zu den Seiten türmen sich einige felsige Strukturen auf, nach vorne geht es in einiger Entfernung steil bergauf. Im Vordergrund rollt ein vierrädriges Gefährt im Schneckentempo vorbei, gehüllt in eine Art Plane, ausgerüstet mit Greifarm und Kamera. Willkommen beim Mondlander-Training auf dem Vulkan Ätna.
2022 ist das Jahr des Mondes: Lange gab es nicht so viele Missionen, die den Erdtrabanten zum Ziel hatten, wie aktuell. Darunter sind sowohl kommerzielle Unternehmungen als auch Forschungsflüge. Neben wissenschaftlichen Fragestellungen wird es dabei um die Suche nach Bodenschätzen gehen.
Zwar planen gleich mehrere Nationen auch bemannte Missionen zur Mondoberfläche, doch außer den USA haben sie diese für 2030 oder später terminiert. Eine zentrale Funktion werden daher Roboter und Drohnen spielen, wie sie jetzt unter Leitung des Geologen Angelo Pio Rossi von der Jacobs University in Bremen gemeinsam mit Fachleuten der Europäischen Weltraumagentur (ESA) und des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Italien erprobt worden sind.
Die Landschaft des Ätna ähnelt dem Mond stark, das Gestein ist basaltisch und anders als auf Lanzarote oder Hawaii gibt es keinerlei Vegetation. Um Mondlander zu testen, die Bodenproben sammeln und analysieren sollen, ist der Ort daher ideal, wie Rossi erläutert. Gefährlich sei das Training auf einem der aktivsten Vulkane der Erde jedoch nicht gewesen: „Der Ätna hat während der Arbeiten nur entgast und wird ständig in Hinblick auf einen Ausbruch überwacht“, versichert der Geologe.
Aus dem Hotelzimmmer gesteuert
Erprobt hat das Team, zu dem auch Astronaut Thomas Reiter zählte, mehrere Roboter und Drohnen, die ESA und DLR entwickelt haben. Sie sollten autonom oder ferngesteuert relevante Gesteinsproben identifizieren und beispielsweise per Greifarm aufnehmen und einer Transportsonde übergeben. „Die Herausforderung für die Roboter besteht darin, sich in einer natürlichen Umgebung mit rauen, zerklüfteten und steilen Morphologien zu bewegen“, erklärt Rossi. „Auf dem Mond kennen wir die Umgebung nur begrenzt und haben auf einer Mission wenig Zeit.“ Um die Kontrolle aus der Mondumlaufbahn heraus zu simulieren, steuerte Reiter beispielsweise einen der Roboter aus seinem 23 Kilometer entfernten Hotelzimmer – erfolgreich.
Die Fragen, auf die sich die Forschung Antworten durch die einstigen Mondbodenproben erhofft, sind sehr weit gefasst: Wie genau entstand der Mond? Wie entwickelten sich die Einschlagskrater? Und bei einem späteren Einsatz auf dem Mars: Wie sah die dortige Umwelt in der Vergangenheit aus? War sie bewohnbar?
„Roboter werden vor allem bei der Sammlung von Daten helfen, die dann per Fernerkundung analysiert und – was sehr wichtig ist – von Robotern oder Menschen auf dem Mond oder auf dem Mars oder anderswo in einen Zusammenhang gebracht werden“, beschreibt Rossi zukünftige Missionen. „So können zum Beispiel Proben, die mit guten Kontextinformationen über einen außerirdischen Körper gesammelt werden, viel wertvoller sein.“ Nicht zuletzt werden künftig Roboter dabei mitwirken, auf Mond oder Mars Experimente durchzuführen und Forschungsbasen aufzubauen.
Während es bei der ersten bemannten Mondlandung, der Apollo-11-Mission, noch darum ging, in kürzester Zeit und unter hohem Risiko überhaupt Bodenproben zu nehmen, sind die Umstände der zukünftigen Missionen andere: „Übungen wie die auf dem Ätna und alle zukünftigen menschlichen oder robotergestützten Feldarbeiten und Probenahmen auf dem Mond werden sehr viel komplexer sein und sehr viel mehr gut dokumentierte kontextbezogene Informationen sammeln, sodass die Menge der gesammelten Informationen und ihr Wert sehr viel höher sein dürften als die Entnahme einer beliebigen Probe von irgendwoher“, erwartet der Geologe.
Genaue Voraberkundung
Die geeigneten Landeorte für eine Probenahme zu finden, ist eine der Aufgaben des Teams von der Jacobs University. Dafür ist die möglichst genaue Voraberkundung der Planetenoberfläche und ihrer Geologie von entscheidender Bedeutung. Welches ist der beste Landeplatz? Wo lauern Hindernisse für den Roboter wie unüberwindbare Steigungen oder Höhlen? Außerdem muss der Landeort zur wissenschaftlichen Fragestellung passen: Wenn man das Alter der jüngsten vulkanischen Gesteine auf dem Mond wissen will, sollten die Landeplätze dort sein, wo solche Gesteine am wahrscheinlichsten sind.
Das kann aus der Umlaufbahn beurteilt werden oder ist durch frühere Missionen bekannt. Will man auf dem Mars dort landen, wo es einst Wasser gab, sollte man einen Ort wählen, an dem es dafür Beweise gibt – wie das im Fall des Marslanders Preseverance geschehen ist.
Der Einsatz am Ätna war sicher nicht der letzte seiner Art, bevor es für die Roboter und Drohnen ernst wird. Aber Rossi ist zufrieden: „Mit der Übung ist es uns gelungen, kulturelle und methodische Brücken zwischen verschiedenen Disziplinen zu schlagen“, resümiert der Projektleiter. Denn Ingenieure und Geowissenschaftler hätten unterschiedliche Ansätze. „Sie ergänzen sich in hohem Maße, aber diese Komplementarität muss trainiert werden.“