Seit ein paar Jahren ist sie wieder da, die Angst. Erstmals seit dem Waldsterben in den 1980er-Jahren sorgen sich viele Menschen um den Zustand der Wälder. Borkenkäfer, Dürren und Stürme haben unzähligen Bäumen massiv zugesetzt, wie sich beim Waldspaziergang schnell feststellen lässt. Für den Museumsverband Niedersachsen und Bremen war das Anlass genug, die Kunstausstellung „Mythos Wald“ zu organisieren (siehe Infokasten). Doch noch mehr als die Kunst beschäftigt das Thema die Forstwirtschaft. Wie steht es tatsächlich um die Bäume in Bremen und der Region?
Der niedersächsische Waldzustandsbericht 2021 vermeldet, dass jeder 25. Baum schwer geschädigt ist, seine Krone sich zu mindestens 60 Prozent gelichtet hat. Bei Fichten ist sogar jede siebte Pflanze betroffen. Beides sind Rekordwerte in den Erhebungen seit 1984. Auch die jährliche Absterberate aller Baumarten lag mit 0,6 Prozent zwar unter dem Rekord von 2019, doch immer noch mehrfach höher als das langjährige Mittel.
Extreme Niederschläge und Stürme
Zwar seien in Mischwäldern mit möglichst unterschiedlich alten Baumbeständen die Schäden am geringsten und die Fähigkeit sich zu regenerieren am höchsten, berichtet Matthias Aßmann von der Abteilung Wald und Forst der Niedersächsischen Landesforsten. „Doch unabhängig von der Waldform haben die Folgen des Klimawandels Effekte sowohl auf einzelne Baumarten als auch auf das gesamte Ökosystem Wald.“
Aßmann zählt auf: extreme Niederschläge und starke Herbststürme in 2017, Orkan Friederike im Januar 2018, der Sommer 2018 mit extremer Hitze und Dürre, die die Bäume anfällig machten für Schadinsekten und bestimmte Pilze. All das sind Folgen der Klimakrise, und sie werden den Prognosen zufolge die neue Normalität darstellen.
Die bereits in den 1990er-Jahren begonnene Strategie, Wälder hin zu vielfältigen, strukturreichen Mischwäldern zu entwickeln, werde daher nun forciert, so der Forstexperte. „Die Anzahl der hierzu in den Landesforsten eingebrachten Setzlinge war im vergangenen Jahr so hoch wie noch nie in der jüngeren Vergangenheit und wird auch zukünftig ein hohes Niveau beibehalten“, berichtet Aßmann. Die eine Baumart, die für die Zukunft ideal sei, gebe es dabei nicht.
Stattdessen würden Fichten zugunsten von Eichen und Buchen abnehmen und Arten wie Douglasie und Roteiche, die hier nicht heimisch sind, hinzugemischt werden. Letztere beiden gedeihen unter den künftig zu erwartenden Klimabedingungen und lassen sich gut in heimische Waldgesellschaften integrieren.
Gießringe im Bürgerpark
„Auch im Bürgerpark Bremen spüren wir die Klimaveränderung“, sagt Parkdirektor Tim Großmann. Beispiele seien ein früherer Frühling und längerer Herbst sowie um bis zu 2,3 Grad höhere Spitzentemperaturen. „Wenn die Jahre 2018/19/20 das neue Normal sind, haben wir uns auf eine neue klimatische Situation einzustellen und müssen Konsequenzen ziehen.“
Schon heute setzt der Bürgerpark Kunststoffgießringe und veränderte Schnitttechniken bei Neuanpflanzungen ein, weil viele Gehölze die Anpflanzung sonst nicht überleben. Die neuen Pflanzen kauft der Park kleiner ein, weil kleine Gehölze besser anwachsen. „Bislang pflanzen wir aus optischen Gründen direkt nach der Fällung im Frühjahr“, berichtet Großmann. Vielleicht müsse man in Zukunft jedoch kahle Flächen im Sommer in Kauf nehmen und im Herbst pflanzen, falls es nicht mehr anders möglich sei, die Pflanzen sicher anzuziehen.
„Wir pflanzen jetzt für die nächsten 150 Jahre“, betont der Parkdirektor. Weil Buchen und Eichen zwei Drittel der Optik des Parks prägen, wolle man an diesen Arten festhalten. Doch gerade alte Buchen nehmen bei Hitze Schaden. „Wir beobachten sehr genau, ob neue Bäume in der Lage sind sich anzupassen.“ Dabei profitiere der Park von der Artenvielfalt. Allein 35 verschiedene Eichenarten wachsen dort. Außerdem experimentieren die Fachleute mit Fichten aus dem Mittelmeerraum, die an Trockenheit angepasst sind, sowie mit Saatgut von Buchen und Eichen aus Südwesteuropa, wo die Pflanzen warmes Klima im Sommer, aber auch Frost im Winter gewöhnt sind.
Eingewanderte Schädlinge
Eine Klimawandelfolge, die außerhalb der Fachwelt stiefmütterlich behandelt werde, sieht Großmann in einwandernden Schädlingen – Viren, Pilze und Insekten. Ob Buchsbaumzünsler, Eschentriebsterben oder die Komplexerkrankung der Kastanie: Ein neuer Schädling könne schnell massive Schäden verursachen.
Sicher ist daher für den Parkdirektor: „Die frühere Bequemlichkeit, mit der man hier in der Region fast alles pflanzen konnte, ist vorbei. Wenn wir dauerhafte Baumbestände entwickeln wollen, werden wir uns bemühen müssen.“