Erinnert sich noch jemand an 2019? Norwegen war Partnerland der Jazzahead, und nach dem Ende von Messe und Festival konnte das Organisationsteam einen Zuwachs an Ausstellern verkünden. Danach wurde Luft geholt und zum ersten Mal ein Gast aus Übersee verkündet: Kanada, Partnerland der Jazzahead 2020. Bekanntlich kam alles anders; doch am Donnerstagabend konnten nun mit zwei Jahren Verzögerung die ersten Gäste aus dem zweitgrößten Flächenland der Erde begrüßt werden beim Eröffnungskonzert des Festivals im gut gefüllten Theater am Goetheplatz.
"Together again" - wieder gemeinsam, lautet dieses Jahr das Motto, und bevor Sängerin Kellylee Evans mit ihrer Band loslegte, gab es viele warme Worte. Bürgermeister und Kultursenator Andreas Bovenschulte (SPD) bezeichnete die Jazzahead als Bremisches "Brauchtum" und als "Leuchtturm der Musikstadt Bremen". Letzteres ist ein Begriff, der zwar gerne in die Runde geworfen wird von offizieller Seite, aber nach wie vor eher eine wolkige Behauptung ist.
Jean Ducharme vom Botschaftsrat für Kultur an der kanadischen Botschaft in Berlin verknüpfte das Wesen des Jazz mit dem Selbstbild seines Landes: Die Stärke des Jazz sei seine Vielfalt, und "das ist ein Satz, den Kanada lebt", sagte er in seiner Ansprache, bei der er zwischen Englisch, Französisch und Deutsch wechselte.
Maximal-symphatische Entertainerin
Dann betrat Kellylee Evans die Bühne, die kurzfristig für die an Covid 19 erkrankte Erin Costelo verpflichtet werden konnte. Auch Kellylee Evans ist ein Beispiel für die Diversität Kanadas: Ihre Eltern sind aus Jamaika eingewandert, sie wurde in Toronto geboren. Die 47-Jährige trat gleich dicht an den Bühnenrand, strahlte entwaffnend ins Publikum und hatte gewonnen.
Nach dem ersten Song "My name is", bei dem sie ihre exzellente Band vorstellte: Joann Kempst (Gitarre), Remi Rascar (Bass) und Tilo Bertelo (Schlagzeug), fraß ihr das Publikum schon aus der Hand. Denn: Evans ist eine überaus charmante und maximal-sympathische Entertainerin, die zwischen den Songs einiges über sich erzählte – und zwar gerne auf Deutsch. Sie habe während des Corona-Lockdowns damit begonnen, die Sprache zu lernen, einfach so, weil sie sie möge, mithilfe von Serien "vor allem auf Disney+", drei Harry-Potter-Büchern und den "Tributen von Panem". Sprach's, lachte, kündigte den nächsten Song an.
Wer gedacht hatte, ein Konzert zu besuchen heiße, sich schön zurücklehnen zu können im Theatersessel, hatte sich geirrt. Denn Evans befand: "Wer Englisch sprechen kann, kann auch Englisch singen". Immer wieder also wurden die Zuhörer Teil der Performance, klatschen mit, sangen mit. Die Frau weiß, wie man eine gute Show aufzieht, und das, obwohl sie wegen der Spätfolgen eines Unfalls, bei dem sie vom Blitz getroffen wurde, überwiegend sitzend von einem Hocker aus sang.
Im Mittelpunkt des Konzerts stand natürlich Evans' fulminant leuchtende, farbenreiche Stimme, die ganz dunkel tönen kann, aber auch in den Höhen mit großer Emotionalität überzeugt. Nicht umsonst hat sie ein Tribute-Album an die große Nina Simone aufgenommen. Sie spielte ein Set aus älteren Stücken wie "Good girl", "Feeling good" oder "Unbreakable" und den fünf Titeln ihrer aktuellen EP "Green Light", das mit "Hands Up" einen echten Ohrwurm enthält. Ihre Musik: eine coole Mischung aus Jazz, viel Soul, Pop, House. Ihren Musikern lässt Kellylee Evans dabei viel Raum, vor allem Joann Kempst mit seinen virtuosen Gitarrensoli.
Zum Schluss mochte das Publikum Evans und ihre Band kaum gehen lassen. Bei "Feel my love" standen alle, tanzten alle, klatschten alle, sangen alle. Bei der Zugabe, der englischen Version des Stromae-Hip-House-Hits "Alors on danse", sowieso. Fazit: Manchmal ist es ganz gut, wenn eine junge Kanadierin ihr Jura-Studium hinschmeißt, um Sängerin zu werden. Sehr gut sogar.