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Kreis-Chorverband Bremen Lust zum gemeinsamen Singen wecken

Der Bremer Chorverband versucht erstmals, eine reguläre Jugend- und Nachwuchsarbeit aufzubauen. Neben neuen Kinderchören sollen dafür Erwachsenen-Chöre motiviert werden, Angebote für Jugendliche zu machen.
13.08.2023, 19:00 Uhr
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Lust zum gemeinsamen Singen wecken
Von Timo Thalmann

Julio Fernandez sucht den direkten Kontakt. Immer wieder spricht er einzelne Kinder an, fragt nach ihren Namen und sagt Sachen wie: „Wir brauchen Dich für das Lied.“ Eigentlich leitet der Spanier den Chor der Hochschule Bremen, aber an diesem Tag am Markusbrunnen im Bürgerpark gibt er den Entertainer, um aus der zusammengewürfelten Kindergruppe vor ihm eine Art Chor zu machen. Zwei im Grunde einfache Lieder auf englisch und deutsch hat er dabei, aber es gibt Bewegungen, rhythmisches Klatschen mal nicht im Viervierteltakt und den ehrgeizigen Versuch, aus einem der Lieder einen Kanon zu machen.

Die kleine Gesangsaktion ist der Auftakt zum Projekt „Young Voices Bremen“. Es geht um Nachwuchswerbung für Chöre und Fernandez hat sich vom Kreis-Chorverband Bremen dafür einspannen lassen, nicht nur für das öffentliche Schnuppersingen im Bürgerpark, sondern auch für eine große Aufführung mit möglichst vielen jungen Sängerinnen und Sängern im kommenden Jahr. „Irgendwo auf der Welt gibts ein kleines bisschen Glück“ soll eine interkulturelle, mehrsprachige und zeitgemäße Adaption der Geschichte der Bremer Stadtmusikanten werden.

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Um dahin zu kommen, sollen gleich vier neue Kinder- und Jugendchöre in unterschiedlichen Stadtteilen entstehen. Der Chorverband will außerdem Schulklassen und Kitagruppen fürs gemeinsame Singen begeistern und bietet dafür pädagogische Unterstützung an. Zusätzlich sollen noch Erwachsenen-Chöre motiviert werden, jeweils eigene Jugendchor-Programm auf die Beine zu stellen.

„Uns fehlt so etwas wie eine systematische Jugendarbeit und Nachwuchsförderung“, sagt Kirsten Bodendieck, Vorsitzende des Chorverbandes. Allein die Kirchen pflegten noch reine Kinder- und Jugendchöre mit altersgerechten Freizeitangeboten, aber entsprechend geistlichem Repertoire. „Kinder- und Jugendchöre ohne religiöse Anbindung sind dagegen eine seltene Ausnahme geworden“, sagt Bodendieck und will mit „Young Voices“ nun gegensteuern.

Denn die Bremer Chorlandschaft kämpft mit Nachwuchssorgen und auch jetzt noch mit den Nachwirkungen der Corona-Pandemie. Das gemeinsame Singen wurde als zu aerosolreich identifiziert, das mit hohen Übertragungsrisiken verbunden ist, die Chorproben mussten vielfach monatelang ausfallen. Viele kleinere Chöre haben die langen Unterbrechungen nicht überstanden. „Und viele größere Gemeinschaften sind arg geschrumpft“, weiß Bodendieck. Sogar Probenräume sind in den drei Jahren abhandengekommen, weil bislang von Chören reservierte, aber ungenutzt gebliebene Zeiten inzwischen an andere Vereine oder Gemeinschaften fielen. Schon ohne die Pandemie seien fehlende Räumlichkeiten neben dem Mangel an qualifizierten Chorleitungen das größte Hindernis für die Chöre.

Hinzu kommt das in vielen Köpfen noch vorhandene, etwas angestaubte Image dieses Hobbys. „Dabei ist der klassische Gesangsverein Teutonia inzwischen fast schon die Ausnahme geworden“, betont die selbst mehrfach als Chorleiterin engagierte Verbandschefin. Mehr als 100 Chöre sind unter dem Dach des Kreis-Chorverbandes organisiert mit insgesamt rund 3000 Mitgliedern. Mindestens noch einmal so viele gebe es wohl ohne Anbindung an den Verband, schätzt sie. Die Chorlandschaft sei bunt. Neben klassischer geistlicher und weltlicher Chormusik komme nahezu jeder Musikstil vor. Pop, Rock, Jazz, Shanty, Gospel oder zahlreiche länderspezifische Folklore: Für jeden Geschmack gibt es eigentlich ein Angebot.

Was häufig fehlt, ist aber eine selbstverständliche Willkommenskultur. So beklagen viele Chöre zwar den Nachwuchsmangel, sind Neulingen gegenüber aber auch nicht immer aufgeschlossen. Reguläre Jugendarbeit, wie sie andere Verbände vom Sportverein über die Freiwillige Feuerwehr bis zum Roten Kreuz pflegten, hätte auch keine Tradition.

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„Ich werfe in Gesprächen zu diesem Thema schon die Frage auf, was die Chöre selber tun müssen. Gerade gut eingespielte Gemeinschaften tun sich da manchmal schwer“, sagt Bodendieck. Die Erkenntnis, dass junger Nachwuchs insgesamt immer auch Veränderung des gewohnten Chorlebens bedeutet und Kümmerer brauche, sickere erfahrungsgemäß nur langsam ins Bewusstsein. „Ich kenne sogar Chöre, die sich deswegen gegen die Erneuerung entscheiden und lieber unter sich bleiben.“ Wenn der Chor dann langsam abstirbt, werde das eben akzeptiert.

Darum also jetzt der Versuch des Verbandes, mit neuen Kinder- und Jugendchören ein Reservoir mit neuen Chorsängerinnen und vor allem Sängern zu schaffen. Die Hoffnung ist, dass dabei gute Erinnerungen entstehen, die dem Nachwuchs auch später im Leben noch Lust darauf machen, einem Chor beizutreten. Es half, dass der Bürgerschaftsabgeordnete Elombo Bolayela (SPD) die Initiative angeregt hat und die Kulturdeputation Haushaltsmittel dafür bereitgestellt hat. So ist die Teilnahme für die Kinder und Jugendlichen in den Chören sowie für Schulen und Kitas kostenfrei. Als Senator für Kultur hat Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) die Schirmherrschaft übernommen.

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