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Welterbetage und Singfest Sie singen wieder

In den vergangenen beiden Jahren war am 1. Juni auf dem Marktplatz nichts zu hören. Doch jetzt lebt ein Fest wieder auf, zu dem in den bisherigen Auflagen jeweils mehrere Tausend Menschen gekommen waren.
31.05.2022, 19:30 Uhr
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Sie singen wieder
Von Frank Hethey

Zwei Jahre hintereinander war am 1. Juni kein Ton auf dem Marktplatz zu hören. Wo sich sonst mehrere Tausend Menschen vernehmen ließen, herrschte Stille. Doch nun ist die unfreiwillige Schweigezeit vorbei, nach coronabedingter Zwangspause gibt es an diesem Mittwoch eine Neuauflage des Mitsingfestes "Bremen so frei – ein Fest in 11 Liedern". Mit der gesungenen Liebeserklärung an Bremen und Bremerhaven starten um 11 Uhr die Bremer Welterbetage – eine fünftägige Veranstaltungsreihe, die am Pfingstsonntag mit dem Unesco-Welterbetag zu Ende geht.

Dass das Mitsingfest immer am 1. Juni über die Bühne geht, hat seinen guten Grund. Damit soll an den 1. Juni 1646 erinnert werden, den Tag des "Linzer Diploms". Damals besiegelte Kaiser Ferdinand III. in seinem Linzer Schloss den Status Bremens als unmittelbare freie Reichsstadt. Nach jahrelangem Tauziehen erhielt Bremen schriftlich bescheinigt, nur dem Kaiser "allein und ohne Mittlerstelle untertthan" zu sein – soll heißen: Kein Erzbischof oder Herzog brauchte sich noch Hoffnungen zu machen, als Landesherr einen Fuß auf Bremer Boden zu bekommen. 

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Ganz umsonst war die Garantie der Eigenstaatlichkeit indessen nicht zu haben. Rund 100.000 Taler musste Bremen für die kaiserliche Unterschrift berappen. Weil bargeldloser Zahlungsverkehr noch nicht erfunden war, wurde das Geld der Legende nach zur Tarnung in Fässern unter alten Fischen versteckt. Gesungen klingt das dann so: "Und damit nicht finst're Diebe dieses schöne Geld erwischen,/packen wir's in Fässer und bedecken es mit Fischen."  

Als Vater der Veranstaltung gilt der ehemalige Senatsdirektor Eberhard Kulenkampff. Der künstlerisch begabte Spitzenbeamte schrieb 1995 den Text für ein Oratorium mit dem Titel "Bremer Freiheit". Seine Vision: Zum Jahrestag des Linzer Diploms versammeln sich sangesfreudige Menschen auf dem Marktplatz, um es anzustimmen. "Die Idee war, Bremer Geschichte mal anders zu erzählen, sie mal zu singen", sagt Peter Lohmann von der Senatskanzlei. Weil Kulenkampffs Werk aber nie vertont wurde, blieb es viele Jahre bei der Vision.

Erst Altbürgermeister Henning Scherf hauchte der Idee als passionierter Chorsänger neues Leben ein. Den passenden Anlass bot der 70. Jahrestag der Wiederbegründung des Landes Bremen, pünktlich dazu wurde das Mitsingfest 2017 zum ersten Mal ausgetragen. Nun allerdings in überarbeiteter Form. Der Grund: Ein Oratorium wäre für ungeübte Stimmen zu anspruchsvoll gewesen. Gefragt waren leicht zugängliche Texte auch für Kinder, Kinderchöre und Schulklassen. Diese Texte steuerte die Bremer Autorin Imke Burma bei, für die Vertonung sorgten die Gebrüder David und Nicolas Jehn aus Worpswede. 

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Augenzwinkernd durchstreift Imke Burma die Bremer Geschichte. Mit der "Bremer Düne" fängt sie an, "Das (neue) Weserlied" markiert den Abschluss. Wobei die 48-Jährige nicht nur drollige Loblieder geschrieben hat. "Nach zu vielen dunklen Jahren" lautet der Titel für das Lied, das sich mit der Zeit des NS-Regimes, den  Kriegs- und Nachkriegsjahren befasst. "Was damals geschah, soll uns wachsam machen, aufzusteh'n für Recht und Menschlichkeit", heißt es in der letzten Strophe.

Beim Open-Air-Mitsing-Konzert ist jeder willkommen, Text- und Notenhefte werden kostenlos verteilt. Als Schirmherr der Bremer Welterbetage gibt Bürgermeister Andreas Bovenschulte auf der Marktplatzbühne das Startsignal. Die Moderation übernehmen Imke Burma und Projektkoordinator Markus Riemann. Einziger Wermutstropfen: Initiator Kulenkampff erlebt die vierte Auflage nicht mehr, er ist im September 2021 im Alter von 93 Jahren gestorben

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Angemeldet haben sich laut Lohmann sechs Schulklassen und vier Chöre. Eine überschaubare Zahl – "aber das heißt gar nichts", so Lehmann. Es kämen immer wieder Schulklassen und Chöre, die sich nicht anmeldeten. Zu bedenken sei auch, dass die Veranstaltung nach den beiden Aussetzern erst wieder in Gang kommen müsse. Seine Hoffnung: dass das Laufpublikum innehält und mitsingt, wenigstens das eine oder andere Lied.

Mitspielen muss dann nur noch das Wetter. Die Aussichten sind allerdings eher durchwachsen, am Vormittag soll es regnen. Doch Lohmann ist auch in dieser Hinsicht ein unverbesserlicher Optimist. "Manchmal ist Regen vorhergesagt, und dann schüttet es doch nur in Blumenthal." 

Zur Sache

Bremer Welterbetage vom 1. bis 5. Juni

Zum Unesco-Welterbetag am Pfingstsonntag, 5. Juni, lädt Bremen zu einer Vielzahl von Führungen, Veranstaltungen und Ausstellungen ein. Bereits vor einer Woche wurde in der Unteren Rathaushalle die Ausstellung "Bremen, Geschichte, Welterbe" eröffnet. Die frei zugängliche Schau läuft bis zum 20. Juni. An diesem Mittwoch präsentieren die Unesco-Projektschulen auf dem Marktplatz ihre Sicht auf das Unesco-Welterbe. Am Donnerstag befasst sich die Bremer Kinder- und Jugendkantorei am "Tag der Jugend" mit dem Thema Demokratie. Am Freitag, 3. Juni, steht der "Plattdüütsch Dag" unter Mitwirkung des Länderzentrums für Niederdeutsch auf dem Programm. Mit dabei ist die plattdeutsche Band Rockwark und von 18 bis 20 Uhr das Fiede Bied Quintett. Das gesamte Programm gibt es unter www.welterbe.bremen.de/welterbetage-22090.  

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