Ein wuseliges Bild, es flimmert einem fast vor den Augen. "N. Y. 10.48 Uhr" hat der Bremer Maler Jens Bommert sein Gemälde genannt. Es gehört zu einer größeren Serie mit dem Titel "Börsenplätze", die 1997 entstanden ist. Drei davon befinden sich in der Städtischen Galerie.
Was ist auf dem Bild zu sehen?
Man blickt von oben in die New Yorker Börse, sieht überwiegend Männer in weißen Hemden und Anzügen, einige recken die Arme. Die Tische und Monitore geben dem flirrenden Geschehen eine gewisse Struktur. Der Blick des Betrachters versucht, an einzelnen Köpfen Halt zu finden, doch so richtig orientieren kann er sich nicht.

Auch ”Frankfurt 10.50 Uhr” gehört zur Serie ”Börsenplätze” von Jens Bommert. Das Gemälde befindet sich ebenfalls in der Städtischen Galerie.
Wie ist das Bild gemalt?
"Das Gemälde hat etwas Fragmentarisches", stellt Angela Tietze fest, die die Inventur in der Städtischen Galerie betreut. Das liege zum einen an der flüchtigen Malweise: "Jens Bommert hat es in der Tradition der Wandmalerei in einzelnen Parzellen gemalt und vier quadratische Leinwände von je 60 Zentimetern Seitenlänge zusammengesetzt. Und er hat die Motive, um den Abstraktionsgrad zu erhöhen, um 180 Grad gedreht gemalt, als stünde er auf dem Kopf." Dadurch erklärt sich die kipplige Perspektive des Bildes. "Aus klaren geometrischen Figuren konstruiert Bommert ein Chaos."
Wer ist der Künstler?
Jens Bommert, 1962 in Bremen geboren, hat 1985 und 1986 an der École des Beaux-Arts in Besancon (Frankreich), danach bis 1992 in seiner Heimatstadt an der Hochschule für Künste (HfK) bei Karl Heinrich Greune studiert. Seither ist er als freier Künstler in Bremen tätig, außerdem als freier Mitarbeiter der Kunsthalle und als Lehrbeauftragter an der HfK. Bommert malt gern Orte mit Dynamik und Betriebsamkeit wie Fußballstadien, Galopprennbahnen, Segelregatten und eben das Börsenparkett, aber auch Akte und Stillleben. "Er beschäftigt sich seit Langem mit der Frage: Was sehe ich eigentlich? Was ist Realität, was Fiktion?", erläutert Angela Tietze. "Entsprechend malt er Bilder, die zweideutig sind, Bilder, die kippen." So gebe er im Bildtitel "N. Y. 10.48 Uhr" zwar den Ort und die genaue Uhrzeit an, nicht aber das Datum, wodurch das Geschehen weniger greifbar werde.
Was fasziniert Jens Bommert am Börsenparkett?
Der Maler begann sich mit dem Thema auseinanderzusetzen, als im November 1996 die Deutsche Telekom an die Börse ging und ihre Aktien in Deutschland stark bewarb. "Erstmals wurden in Deutschland direkt Kleinsparer angesprochen: Weg vom Sparbuch, jeder kann Aktionär werden, lautete die Devise", erinnert sich Angela Tietze. "Dass Spekulation die Gesellschaft erobert, das hat Jens Bommert fasziniert. Dass Gott und Glauben zurücktreten und durch Verlangen nach Geld ersetzt werden, dass der Mensch sein eigener Manager wird – mit allen Risiken." Den Künstler habe gereizt zu zeigen, wie abhängig die Börse von Stimmungen ist, wie sie sich durch kurze Impulse eigene Realitäten schafft, kurz: wie unsicher die Finanzwelt ist. "Das ist immer noch aktuell, man muss ja nur an die Kryptowährung denken", betont Tietze.