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Zukunft des Lesens Leser, wo bist du geblieben?

Die Branche des Buchhandels hat zwischen 2013 und 2017 6,4 Millionen Käufer eingebüßt - das sind etwa 18 Prozent der Kunden. Zu diesem Ergebnis kam eine Studie des Börsenvereins des deutschen Buchhandels.
29.06.2018, 21:16 Uhr
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Von Helena Brinkmann

Auf dem Nachttisch verstauben drei Bücher. In einem steckt ein Lesezeichen, die anderen beiden liegen schon seit Weihnachten dort. Irgendwie ist das eine zu dick, das andere klingt zu anstrengend, und sowieso hat man gerade keine Zeit zum Lesen. Eine Szene, die sich in sehr vielen deutschen Haushalten abspielt – so das Ergebnis einer Studie, die der Börsenverein des deutschen Buchhandels in Auftrag gegeben hat.

6,4 Millionen Käufer – 18 Prozent der Kunden – hat die Branche zwischen 2013 und 2017 eingebüßt. Besonders Menschen zwischen 20 und 49 Jahren lesen immer weniger. Im Jahr 2017 hat diese Zielgruppe bundesweit fast dreißig Prozent weniger Bücher gekauft als 2013. Der Börsenverein wollte mithilfe einer Studie herausfinden, woran das liegt. Ein Ergebnis: Genau diese Menschengruppe verbringt immer mehr Freizeit im Netz. Im Jahr 2017 waren es etwa 100 Minuten am Tag, ein Jahr vorher noch 33 Minuten weniger.

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So weit, so erwartbar. Mithilfe einer Befragung versuchten die Forscher zu ermitteln, ob es einen Zusammenhang zwischen diesen beiden Entwicklungen gibt. Viele der Befragten erklärten, dass tatsächlich die starke Internetnutzung, aber auch eine immer knappere Freizeit und das gestiegene Angebot an Inhalten auf allen möglichen medialen Kanälen schuld an der Entwicklung seien.

Diese Flut von Informationen und Reizen erlebten die Befragten als negativ: „Sie fühlen sich unisono von den Verpflichtungen und der Schnelllebigkeit des Alltags gestresst und unter Druck gesetzt“, heißt es in den Ergebnissen. Und weiter: „Die immer kürzer getaktete Welt zwingt zum Multitasking und schwächt die Fähigkeit, sich ganz auf eine Sache einzulassen.“

Serien statt Bücher

Ein großer Gegner des Buches im Kampf um die Zeit der Mediennutzer sind Streamingdienste. Seit es Netflix, Amazon Prime und Co. gibt, verbringen vor allem Serienfans viel Zeit beim sogenannten „Binge-Watching“. Das heißt, sie schauen sich oft viele Folgen einer Produktion hintereinander an.

Die neuen Serien befriedigen laut der Studie viele Bedürfnisse, die früher Bücher erfüllten: entspannen, in fremde Welten abtauchen, dem Alltag entfliehen. Im Gegensatz zu Büchern sind Serien in der befragten Altersgruppe ein wichtiges Gesprächsthema. Außerdem spielt der soziale Faktor eine Rolle: Serien werden gern in Gesellschaft geguckt. Nichtlesen ist dagegen kein Stigma mehr, in der Clique oder der Peergroup wird nicht mehr viel über Bücher gesprochen.

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Ein Punkt, den das Buch deutlich von elektronischen Medien abhebt, ist die Entschleunigung. Beim Lesen entscheidet der Leser, wie schnell, was und wie lange er liest. Man wird nicht von Push-Nachrichten, Mitteilungen oder Videos abgelenkt. Man ist nicht online. Vielleicht der größte Vorteil und gleichzeitig das größte Manko des Buches.

Von den Befragten wurde Lesen mit „Kuscheln“, „Zeit vergessen“, „Entspannung“, „Gedankenabenteuer“, „persönliche Zeit“ assoziiert – positiv besetzte Begriffe, die die Befragten als wichtig beurteilten. Welche Konsequenzen kann der Buchhandel aus diesen Ergebnissen ziehen? Alexander Skipis, Geschäftsführer des Börsenvereins, meint, man müsse mehr Kundennähe und Orientierung schaffen. „Wir müssen Buchsuchen erfinden, die beispielsweise Lesestoff nach emotionalen Kriterien auswählen“, so Skipis.

Mehr emotionale Anziehungskraft

Das könne zum Beispiel mithilfe von Apps geschehen, in denen die Kunden personalisierte Buchvorschläge auch als Push-Nachrichten bekämen, angereichert mit Lese- oder Hörproben. Das Buch müsse außerdem zum Leser kommen – über mehr Präsenz in elektronischen Medien und zielgerichtete Werbung zum Beispiel an U-Bahn-Haltestellen oder in den sozialen Netzwerken.

Und Skipis hat noch weitere Ideen: Der Kauf des Buches solle zu einem Genusserlebnis für den Kunden werden. Die Buchhandlung könne sich als der Ort der Entschleunigung präsentieren, mit Café-Ecke, ansprechender Einrichtung und Atmosphäre. Kurzum: Der Buchhandel brauche mehr emotionale Anziehungskraft. Die Befragten wünschten sich, dass auch das Lesen selbst zum Erlebnis wird – vielleicht sogar in Gemeinschaft.

Lesungen oder andere Kulturveranstaltungen könnten genau das bieten, ein Gemeinschaftsgefühl entstehen lassen, mehr Aufmerksamkeit und Bindung zum Buchladen schaffen. Außerdem forderten die Befragten mehr Orientierung und Inspiration durch den Dschungel der Bücher. Eine gute Beratung, die auf den Kunden zugeschnitten ist. und der er vertrauen kann, sollte also immer noch Kern des Buchhandels sein.

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