Lufttemperaturen von bis zu 40 Grad Celsius, Wassertemperaturen von bis zu 30 Grad Celsius: In der zweiten Juli-Hälfte machte das Mittelmeer Schlagzeilen mit einer Hitzewelle, die für viele Urlauber statt Entspannung körperlichen Stress bedeutete. Die Prognosen für den Klimawandel deuten darauf hin, dass das kein Einzelfall bleiben wird: Das Mittelmeer heizt sich seit Jahren auf. Ein in Bremen und Kiel koordiniertes Forschungsprojekt, das die Öffentlichkeit beteiligt, will diesen Prozess nun besser verstehen.
„Das Mittelmeer hat selbst in zwei Kilometern Tiefe noch 13 Grad, anders als die Tiefsee im Atlantik oder Pazifik“, erklärt Achim Kopf, Experte für marine Geotechnik am Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen (MARUM). "Aber trotzdem war immer eine spürbare Abkühlung gegenüber der Oberfläche da. Jetzt berichten Taucher seit einigen Jahren, dass es bis in die Tiefe, die Menschen betauchen können, keine Temperaturänderung mehr gibt."
Die heutigen Überwachungssysteme erfassten diesen deutlichen Anstieg der Oberflächentemperatur erstmalig 2023. Inzwischen meldete etwa Copernicus, der Erdbeobachtungsdienst der EU, im Juli 2024 Höchsttemperaturen an der Oberfläche von über 28 Grad, gemittelt über die gesamte Oberfläche des Mittelmeers. "Das ist verheerend und stört nicht nur die Biodiversität, sondern auch die Anzahl der Organismen, die im Meer überleben", ordnet Kopf ein.
Europas Küsten sind besonders betroffen
Besonders betroffen ist die europäische Seite – nicht nur, weil dort mehr Tourismus stattfindet: Über die Straße von Gibraltar strömt kälteres, sauerstoffreiches, aber salz- und nährstoffärmeres Wasser ins Mittelmeer ein. Es bleibt aufgrund seiner Eigenschaften an der Oberfläche, bewegt sich an der nordafrikanischen Küste entlang und erwärmt sich dabei.
Gleichzeitig sorgt die Verdunstung dafür, dass sich der relative Salzgehalt erhöht. Gegen den Uhrzeigersinn bewegt sich dieses Wasser durchs gesamte Mittelmeer und strömt schließlich wieder in den Atlantik. "Wenn wir eine generelle Erwärmung des Mittelmeers bekommen, wird sich diese Dynamik gegen den Uhrzeigersinn abschwächen, und das wäre fatal", warnt Kopf.
Einiges weiß die Forschung bereits über die räumlichen und zeitlichen Temperaturverläufe im Mittelmeer. Satelliten liefern Daten für die Meeresoberfläche. Sogenannte Drifter, autonome Messgeräte, treiben an der Oberfläche und folgen den Zirkulationsmustern, während sie Daten erheben. Und Floats machen das Gleiche in tiefen Strömungen, in die sie eigenständig hinabtauchen können. "Vom tiefen Wasser und von der Oberfläche haben wir daher relativ gute Daten", sagt Kopf, "aber der Randbereich an den Küsten ist noch recht schlecht verstanden – und die Küste ist der Bereich, der uns Menschen am meisten betrifft."
Daraus entstand die Idee von Christophe Galerne, ebenfalls Meeresforscher an der Universität Bremen, für das jetzt auf den Weg gebrachte Projekt "Bluedot" (blauer Punkt): Taucher und Taucherinnen zeichnen schon allein aus Sicherheitsgründen mit einem Tauchcomputer die Temperatur im Verlauf ihrer Tauchgänge auf. Sie bewegen sich vor allem in Küstennähe und in den oberen 40 Metern des Meeres. Warum also nicht diese Hobbysportler zu Hobbyforschern machen und so umfassende Messdaten generieren?
Die Bremer kooperieren dazu zunächst mit einer kleinen Zahl von Tauchbasen. Über 18 Monate hinweg werden hier Taucher ins Projekt eingewiesen, damit sie besonders hochwertige Daten beisteuern könne. In den Haupttauchgebieten dieser Basen wollen die Forscher zudem eine Kette von Temperatursensoren etablieren. Diese Kette dient dazu, die Tauchcomputer zu kalibrieren. Denn die Geräte erfassen zwar recht genau, um wie viel Grad sich die Temperatur verändert, doch der absolute Messwert ist nicht immer präzise.
Dank der Kalibrierung können Daten älterer, ungenauer Tauchcomputer ins Projekt einfließen, ja sogar Daten aus Tauchgängen, die in früheren Jahren aufgezeichnet wurden. Rund zwei Jahrzehnte in die Vergangenheit wollen die Projektbeteiligten die Temperaturentwicklung der Mittelmeerküstengewässer rekonstruieren.
Grundlage für Klimamodelle
Außerdem arbeiten die Meeresforscher mit einem großen Hersteller von Tauchcomputern zusammen, der seine Software so anpassen wird, dass eine Standardisierung erfolgt. Am Ende fließen alle diese Messpunkte in einer über ein Webportal frei zugänglichen Datenbank zusammen. Dort kann jeder, der möchte, Daten seines Tauchgangs hochladen und die Forschung ein kleines Stück voranbringen.
Die so gesammelten Daten schließen die bisherige Überwachungslücke. Sie sind damit wichtig für Klimamodelle, Risikobewertungen der Regierungen und Gemeinden entlang der Küsten sowie für die Bevölkerung, um informierte Entscheidungen treffen zu können.
„Wir setzen auf einfache Sensoren und die Masse der Daten“, erläutert Kopf die Entscheidung, die Öffentlichkeit einzubeziehen. Aus der Menge der Daten können Algorithmen ähnlich präzise Ergebnisse errechnen, wie sie sonst nur mit teuren Hightech-Geräten gemessen werden könnten. Trotzdem muss sich das Projekt aus Kostengründen auf zwei Regionen des Mittelmeers beschränken, die Costa Brava und die maltesische Insel Gozo. „Aber damit können wir zeigen, was bereits lokal passiert, und vielleicht auf EU-Ebene ein größeres Projekt anstoßen“, sagt der Meeresforscher. Zudem sei das Mittelmeer nicht der einzige Ort der Erde, der sich aufheize, aber durch die Randmeerlage im wörtlichen Sinne ein Hotspot der Klimakrise.