Nanu, schon wieder Stehtische auf dem Marktplatz, schon wieder Ratskeller-Buden, an denen Erfrischendes und Flammkuchen geordert werden konnte? "Große Nachtmusik", Teil zwei? Ein Déjà-Vu? Die Antwort am Sonnabend musste lauten: ein großer Abend, eine famose Musik zur Nacht. Aber anstatt eine Eröffnung zu zelebrieren, schmiss das 34. Musikfest Bremen eine extrem gut besuchte Abschiedsparty. Drei Wochen, prall gefüllt mit Konzerten im Nordwesten, sind vorbei. Und so sollte auch der Schlussakkord, traditionell auf dem Marktplatz und umsonst, lange nachhallen. Das wird er.
Eingeladen hatten Musikfest-Intendant Thomas Albert und sein umtriebiges Team das Metropole Orkest unter Leitung seines Chefs Jules Buckley, also alte und gern gehörte Bekannte, ansonsten eher im BLG-Forum beheimatet. Zum ersten Mal dabei waren die Soul- und Jazz-Sängerin (und -Pianistin) Sheléa und der Background-Chor Vula's Chorale. Zusammengefunden hatten sie sich, um eine der ganz großen Stimmen des 20. Jahrhunderts zu feiern: Aretha Franklin (1942-2018).
Sheléa forderte die Party
Soul, Pop, Blues, Gospel, die Freuden der Liebe und die Schmerzen und die Wut, als schwarze Frau diskriminiert zu werden – das alles legte Aretha Franklin in ihre Lieder, die in den Interpretationen anderer Künstler mindestens genauso bekannt sind wie die Originale. Sheléa, das Metropole Orkest und Vula's Chorale beanspruchen nach diesem Sonnabend klar einen der vorderen Plätze im Allzeit-Coverversionen-Ranking. Mit "Precious Memories" starteten Jules Buckley und das Orchester langsam und sehr gospelig, während Sheléa gleich bewies, dass sie eine Show-Frau ist. Im grün-weißen, engen Sommerkleid, passenden grünen Ohrringen und mit goldenen Sandaletten an den Füßen kletterte sie auf die Bühne und forderte vom Publikum die Party ein, die das Konzert werden sollte.
Das Metropole Orkest lieferte ein solides Fundament. Das bewegte sich zwischen lockerem, manchmal etwas zu weich gespültem Big-Band-Sound der 60er- und 70er-Jahre mit hemmungslosem Schmachtgeigen-Einsatz auf der einen und jazzigen Up-Tempo-Nummern auf der anderen Seite. Hier konnte vor allem die Bläserfraktion sich durch Soli hervortun.
Über allem strahlte Sheléa mit ihrer voluminösen, über mehrere Oktaven reichenden und zu allerlei solistischen Kapriolen fähigen Stimme, wie die von Aretha Franklin lange Jahre im Kirchenchor geschult. Die Setlist tat das Übrige: Hier folgte Kracher auf Kracher, wobei die Reihenfolge ab und an von der abwich, die auf dem Programmzettel stand.
Erfrischendes Jazzstück
Und so wechselte der Klangteppich des sanften "Skylark" in den Blues von "Don't Play That Song" mit Sheléa am Piano, gefolgt von dem kämpferischen Soul von "Think", bei dem der halbe Marktplatz den Ein-Wort-Refrain "Freedom" mitsang. Nach "Chain of Fools" verabschiedeten sich die Musiker mit einem von Quincy Jones zum erfrischenden Jazzstück umarrangierten "Somewhere" aus dem Musical "West Side Story" in die Pause.
Überragend im zweiten Teil waren das flotte "I Knew You Were Waiting", das Sheléa mit einem Mitglied von Vula's Chorale sang, und eine Version von "Amazing Grace", für die das Wort Inbrunst erfunden worden sein muss. Kollektive Gänsehaut beim Publikum auf dem wunderbar illuminierten Marktplatz, bevor zum Finale noch einmal getanzt und mitgesungen werden konnte: "Natural Woman" und, natürlich, das Lied, das mit Aretha Franklin wie kein anderes verknüpft ist, "Respect". Sheléa, Chor und Orchester schleuderten diese trotzige, aufbegehrende Soul-Nummer aus sich heraus. Als Betthupferl gab's noch ein feinfühliges "Bridge Over Troubled Water", dann war der letzte Ton des 34. Musikfests verklungen. Die 35. Ausgabe findet übrigens vom 17. August zum 7. September 2024 statt.