Mit seinen 82 Jahren schaut Jordi Savall so würdevoll aus wie der alte Giuseppe Verdi. Doch auch der von vielen verehrte spanische Gambist und Dirigent kann mal einen schlechten Abend haben. Wie jetzt beim vorletzten Musikfestkonzert "Ein Sommernachtstraum" in der Glocke mit Felix Mendelssohns kompletter Schauspielmusik zu William Shakespeares Komödie. So sehr man sich darauf gefreut hatte: Diese Sommernacht auf historischen Instrumenten geriet keineswegs traumhaft.
Die 1824 komponierte Sinfonie D-Dur des mit 20 Jahren verstorbenen baskischen Wunderkinds Juan Crisóstomo de Arriaga, die das Programm eröffnete, könnte auch eine Sinfonie des jungen Franz Schubert sein. Wie man solche noch etwas unfertigen Geniestreiche glänzen lässt, hat jüngst Daniel Harding vorgeführt. Savall indes stand dem hübschen Werk konzeptionslos gegenüber. Die Ecksätze strukturierte er kaum, sondern leimte Einzelteile aneinander, der langsame Satz wurde verschleppt. Und das Orchester Le Concert des Nations erfreute zwar mit dunkel timbrierten Streichern, offenbarte aber in den Holzbläsern erhebliche Qualitätsmängel. Eine Flöte, die in ihren Soli nicht führte und Töne verschluckte, Oboen, die permanent zu tief intonierten, verschleppte Einsätze: Das klang wie vom Blatt gespielt.
Durchgeholzter Hochzeitsmarsch
Auch Mendelssohns zauberhafte Bühnenmusik tönte wenig festspielreif. Sicher: Savall ließ das Blech, voran die Ophikleide, markant knurren, ließ in der bis aufs Skelett durchleuchteten Ouvertüre und im Scherzo (wie einst schon Otto Klemperer) die Dämonie von Oberons Feenwald spüren. Der herbe Bläserton überzeugte, auch wenn es derb zur Sache ging wie im Rüpeltanz oder im ironischen Trauermarsch. Was man sonst an Quetschtönen, Ansatzproblemen und Luftlöchern vernahm, erinnerte dagegen an die Frühzeiten des Originalklangs. Das sanfte Notturno – verschenkt von patzenden Hörnern ohne Piano-Kultur. Der berühmte Hochzeitsmarsch – durchgeholzt wie von einer Militärkapelle. Die Gesangssolistinnen Flore Van Meerssche und Diana Haller sowie die auch darstellerisch starken Damen der Capella Nacional de Catalunya hoben das Niveau mit ihren Auftritten beträchtlich, doch sind die zwei Elfenchöre nur von kurzer Dauer.
Mendelssohns Einsprengsel zwischen den neun großen Nummern komplett mit den dazugehörigen Schauspieltexten zu bieten, erwies sich zudem nicht als tragfähige Idee. Der brillante Wiener Schauspieler Michael Rotschopf hatte die komplexe Schlegel-Übersetzung zwar ebenso wie seine vorzüglichen Kolleginnen Lara Morger und Natasha Schnur nuancenreich bis zum Esels-I-a im Griff, aber selbst Shakespeare-Kenner verloren zeitweilig den Überblick, welche seiner sieben Rollen er gerade sprach. Die üppigen, höchste Konzentration fordernden Texthappen drückten die Musik mitunter stark in den Hintergrund und dehnten den Abend auf über zweieinhalb Stunden, ohne echte Orientierung zu bieten – statt der Melodramen hätte man das verschachtelte Schauspiel besser gleich komplett oder nur die Hauptmusikstücke gegeben. Ein rundum unbefriedigendes Konzert.