Am Ende werden Hochbeete ausgeladen und Trampoline aufgebaut, Könige, "Wahlkämpfer" und sogenannte "Extrem-Mauerbauerinnen" schlürfen Bubble Tea aus Plastikbechern. Letzteres ist nicht so wirklich politisch korrekt, aber was soll man machen, so ist der Trend. Außerdem ist das eh symbolisch gemeint: Alle Bubbles, also Filterblasen oder altbaksch Interessengruppen, sind friedlich vereint auf dem Goetheplatz. Man besäuft sich an Harmonie, es ist Sommer, und das Theater ist zurück.
Zurück sind damit auch verquaste Begriffe wie "musikalische Raumnahme" für ein Projekt des Hamburger Künstlers und Performers Schorsch Kamerun, das man auch schlicht Polit-Revue nennen könnte. Kamerun hat sich Henry Purcells (revueartige) Semioper "King Arthur" vorgenommen, aufgebrochen und mit eigenen Elementen und Songs angereichert, die sich ein bisschen an Kurt Weill oder Hanns Eisler orientieren. "King Arthur" gilt als Semi-Oper, weil die Hauptpartien Sprechrollen sind; die Nebenfiguren singen, die Musik hat lediglich untermalende Funktion.
Kamerun hat die knapp zwei Stunden dauernde Oper, die sich darum dreht, dass der britische König Arthur seine blinde Verlobte Emmeline aus der Gefangenschaft bei seinem Widersacher Oswald von Kent retten will, für seine Collage zweigeteilt. Der erste Teil hatte am Donnerstagabend open-air auf dem Goetheplatz Premiere, der zweite soll in der Spielzeit 2022/23 im Großen Haus folgen. Verhandelt werden "Machtverhältnisse", das sagt der Regisseur zu Beginn und zettelt dann ein Spektakel an mit sehr viel Material- und Personaleinsatz, mit Sängern, Schauspielern, dem Chor, den Bremer Philharmonikern (auf dem Balkon des Theaters), Jungen Akteuren und Studierenden der Hochschule für Musik und Theater Hamburg.
Wer hier Subtilität sucht, ist falsch.
Warum nur also hauen die Menschen sich immer wieder die Köpfe ein, nur, weil der andere anders ist? Weil er eine spitzere Nase hat oder ein seltsames Auto fährt und das von Interessengruppen zum Großkonflikt aufgebauscht wird, wie Kamerun selbst sprech-singt. Warum nur lassen sich die Menschen instrumentalisieren, im Mittelalter wie heute, wem gehört welcher Raum, und was kann man gegen Ausgrenzung tun? Große Fragen. Kamerun lässt sich dazu Zeilen einfallen wie "Wenn ihr schreitet ohne Denken, wird's euch in den Abgrund lenken". Tatsächlich? Wer hier Subtilität sucht, ist falsch.
Die Opern-Figuren tauchen auch auf. Alexander Swoboda (King Arthur) und Matthieu Svetchine (König Oswald) lassen mit Annemaaike Bakker als Emmeline und Karin Enzler als Luftgeist Philidel Momente klassischen Sprechtheaters aufleuchten, bevor wieder jemand hektisch Stifte verteilt an überraschte Passanten. Auch die wunderbare Musik Henry Purcells erhält ab und an eine Chance. Marysol Schalit, Christoph Heinrich, Ulrike Mayer und Sunwoong Park sorgen gemeinsam mit der kleinen Philharmoniker-Besetzung dafür. Gänsehaut-Momente an einem Sommerabend.
Der Rest ist eine Bonbonniere, aus der ständig etwas herauskugelt. Da wird wortwörtlich an einer Mauer gebaut, quietschbunte Fellwesen paradieren (die Anderen!), es wird gefilmt, was das Zeug hält, eine "Bälleballende Unruhestifterin" legt grüne Kugeln ab, silberfarbene Stellwände werden herumgetragen. "Strategie Phantasie" sagt das Banner, das am Theater hängt – ein Lösungsvorschlag für all das Ungemach. Oder der neue Slogan einer Zigarettenmarke. Kamerun singt: "Die buntesten Farben, für alle zum Haben". Darauf einen Bubble Tea.