Es gibt Musiker, die sind schon mit weniger Songs auf Tour gegangen. Ob das wahre Fans juckt? Wahrscheinlich nicht.
Auch Paula Hartmann hat noch nicht viele eigene Stücke im Gepäck, als sie am Mittwoch im Bremer Tower auf die Bühne tritt. Wenige Sekunden vorher hört man ihre Stimme aus dem Off: "Bremen, habt ihr Bock auf Gute-Nacht-Geschichten?" Das Publikum grölt.
Gute-Nacht-Geschichten, so nennt die 22-Jährige die Lieder auf ihrem ersten Album "Nie verliebt". Zehn sind es; eine Mischung aus Pop, Autotune, Trap und – Hip-Hop. Der dringt am deutlichsten gleich zu Beginn durch, wenn sich eines der wohl bekanntesten Samples von Rapper und Musikproduzent Dr. Dre unter den Song "Fahr uns nach Hause" mischt. Das lockert den eher selbstzerstörerisch anmutenden Text mit herzzerreißenden Metaphern ("Sollbruchstelle Herz, Basisfraktur") etwas auf.
Melancholisch, mystisch, ehrlich
Noch mehr solcher Bilder gibt es in "Truman Show Boot". "Ich bin 'n Schwamm, ich saug die Stadt vollständig auf – wenn man mich auswringt, kommt ihr ganzer Dreck heraus." Diese Textzeile lässt erahnen, wie sensibel die gebürtige Berlinerin ist. Melancholisch und ein Stück weit mystisch kommt sie allemal daher, wenn man ihr so zuhört und zuschaut, wie sie sich im rotblauen Bühnenlicht zur Musik bewegt. Immer wieder weitet sie beim Singen einen Arm, der auf der Melodie zu surfen scheint. Im nächsten Moment geht sie in die Hocke, ballt ihre Hand zur Faust und zieht synchron zum Taktschlag ihren Ellenbogen nach unten, so als wolle sie etwas zerbrechen.
Hartmann kann die 90 Minuten mit einem Remix zu "Babyblau" und ihren Gastbeiträgen für Rapper wie Luciano, Haftbefehl und Luvre47 füllen. Letzterer schaut sogar persönlich vorbei. Zwischendurch gibt es selbst gemachten Himbeerschnaps, Einblicke in ihr Seelenleben vor Tourstart, Infos zum zweiten Album und bescheidene Äußerungen.
So stapelt die gebürtige Berlinerin tief, wenn sie sich bei einer ihrer Gute-Nacht-Geschichten ans Piano setzt und zugibt, sie verspiele sich immer, sobald auch nur eine Person zuschaue. "Und hier sind es dann gleich auch noch mehrere", versucht sie die Situation mit Humor zu nehmen.
Wie auch immer, der Lapsus bleibt aus, weshalb sie umso härter gefeiert wird. Und selbst wenn – wen hätte er schon gejuckt, außer vielleicht sie selbst?