Obwohl es an diesem Freitagmittag draußen sonnig und warm ist, strömen schon eine Stunde vor Beginn der Probe von Generalmusikdirektor Marko Letonja und seinem Orchester die ersten Zuhörer in die Glocke. Es ist das vierte Mal, dass der „Pausenphiller“ stattfindet – eine öffentliche Hauptprobe der Bremer Philharmoniker um die Mittagspausenzeit, die Interessierte jeweils am Freitag vor der eigentlichen Premiere kostenlos besuchen können. Diese Gelegenheit nutzten zuletzt 700 Menschen.
Zum ersten Mal fand der „Pausenphiller“ im September 2018 statt. Letonja selbst hatte die Idee dazu. Schon vor seiner Zeit in Bremen habe er öffentlich geprobt, erzählt der Generalmusikdirektor. Unter anderem mit den Orchestern in Straßburg und Hobart. Auch dort habe es großes Interesse an den Proben gegeben, sagt er. Das habe ihn zwar überrascht – aber im positiven Sinne. Als Letonja das Konzept in Bremen vorschlug, rechnete die Philharmonie zunächst mit maximal 50 Zuhörern. Es kamen 300. Beim nächsten Mal, habe er damals gesagt, brauche er ein Mikrofon.
Als die Probe in Bremen zum ersten Mal mit Zuhörern stattfand, sei das zunächst ein Test gewesen, sagt Letonja. „Wir wollten erst einmal herausfinden, ob wir so überhaupt anständig proben können.“ Am Ende seien alle Musiker einverstanden gewesen. Das Publikum habe die Proben-Atmosphäre angenehm aufgelockert, sagt er. Außerdem hätten einige Musiker sogar zurückgemeldet, dass sie durch die Zuhörer konzentrierter seien. „Für uns ist das eine Win-Win-Situation: Die Zuhörer lernen, wie Orchesterarbeit funktioniert und wir lernen, wie unsere Musik auf Publikum wirkt.“
Mittlerweile ist der Saal gut gefüllt. Bis in die letzten Reihen verteilen sich darin die Menschen. Etwa 600 – trotz des guten Wetters. An diesem Freitag wird für das zwölfte Philharmonische Konzert „Finale“ geprobt. Dort wird das Orchester verschiedene Musikstücke aus Filmen spielen. Letonja trägt nun ein Kopfbügelmikrofon, damit er die Hände zum Dirigieren frei hat. Wenn seine Arme dabei durch die Luft schwingen, ist leise sein Atem zu hören.
Hautnah an den Musikern
Weil der „Pausenphiller“ so gut angenommen wird, wird es mit der kommenden Spielzeit eine Neuerung geben: Bis zu 30 Personen können dann während der Proben auf der Bühne Platz nehmen – zwischen den Musikern. Anders als die Plätze im Saal müssen diese Plätze aber vorab kostenpflichtig reserviert werden.
An diesem Freitag hat Letonja kurz vor Probe beschlossen, dass Orgelspieler Ulrich Wünschel ebenfalls ein Mikro bekommen soll. Wünschel ist Filmmusik-Experte und soll dem Publikum einen Einblick in die Filme geben, deren Musik gespielt wird. „Ulrich, was ist das für eine Szene?“, fragt Letonja – und Wünschel erzählt. So wirken die beiden wie ein gut eingespieltes Moderatoren-Duo.
Wie bei einer Probe üblich spielt das Orchester meist kurze Abschnitte, bis Letonja es stoppt und ihm seine Verbesserungswünsche unterbreitet. Immer wieder wendet er sich im Anschluss dem Saal zu und erklärt den Zuhörern die Arbeit des Orchesters. Die Stimmung ist gelöst, Letonja hat sichtlich Spaß daran, das Publikum miteinzubeziehen: „Kommt das Geigen-Solo bei Ihnen auch rüber? Und die Harfe?“, fragt er dann zum Beispiel, während das Publikum immer wieder unisono und lachend mit „Ja!“ antwortet. „Schön!“, ergänzt Letonja. „Sie müssen öfter kommen, Sie helfen uns hier sehr.“