Verwirrt steht eine Frau mit einem Euro in der Hand vor den drei Musikerinnen Laura Dümpelmann, Alexandra Mikheeva und Lilli Pätzold am Neptunbrunnen auf dem Bremer Domshof und sucht nach einem Hut oder Instrumentenkasten, in den sie ihre Spende werfen kann. Doch die drei Frauen sind nicht in die Innenstadt gekommen, um sich ein paar Münzen zu verdienen, sondern um Werbung für ihr Projekt "Mit Sinn und Vagant" zu machen, mit dem sie vom 9. bis zum 11. Mai im Zentrum für Kunst im Tabakquartier auftreten.
Pätzold, Mikheeva und Dümpelmann sind seit 2020 unter dem Namen Hanse Pfeyfferey unterwegs. Mit ihren Renaissance-Blasinstrumenten widmen sie sich der Musik aus der Zeit um 1500. Damals gab es in den Städten angestellte Stadtmusikanten, die sogenannten Stadtpfeifer, deren Aufgabe es vor allem war, Festlichkeiten musikalisch zu begleiten, vom Turm der Stadt aus zu musizieren, Signale zu geben oder den Bürgern die Uhrzeit anzuzeigen. Sie spielten Instrumente wie den Zink (eine Mischung aus Blockflöte und Trompete), die Schalmei oder den Pommer (Doppelrohrblatt-Holzblasinstrumente), und die Zugtrompete (ein frühes Blechblasinstrument). Und genau diese Instrumente erwecken die drei Frauen mit ihrer Musik zu neuem Leben. Pätzold spielt den Zink, Dümpelmann die Schalmei und den Pommer und Mikheeva die Zugtrompete, ein wie sie sagt "besonderes Instrument", dass früher gerne auch mal Teufelstrompete genannt wurde.
Stadtpfeifer-Beruf erfahrbar machen
Studiert haben sie alle erst Instrumente wie Blockflöte oder moderne Trompete, bevor sie die Renaissancemusik und entsprechendes Instrumentarium für sich entdeckten und begannen, sich intensiver mit der Geschichte der Stadtpfeifer auseinanderzusetzen. "Uns geht es darum, diese schöne Zeit und den besonderen Beruf der Stadtpfeifer erfahrbar zu machen", sagt Pätzold. "Es macht uns Spaß, auf der Straße zu spielen und die Renaissancemusik unters Volk zu bringen." Und dabei geht es den drei Musikerinnen nicht nur um das Musizieren selbst: "Was wir machen, hat auch viel mit Forschung zu tun."
Die drei Frauen, die als freiberufliche Musikerinnen alle noch in anderen Projekten aktiv sind, sind mit ihrer Hanse Pfeyfferey in ganz Deutschland unterwegs, vor allem in Bremen und Magdeburg, wo Mikheeva seit einiger Zeit lebt. 2022 bespielte das Ensemble vor allem Türme in Bremen, vergangenes Jahr lag der Schwerpunkt unter anderem auf Spielplatzkonzerten in Magdeburg. Im Sommer 2023 startete für das Trio dann eine einjährige Residenz im neuen Zentrum für Kunst im Tabakquartier, die es ihnen ermöglichte, zwei größere Projekte umzusetzen.
Ihr erstes Projekt, "Stadtpfeiferinnen – Ikonographie 2.0" verband Renaissancemusik mit Bildender Kunst, und auch bei ihrem neuen Projekt "Mit Sinn und Vagant" versuchen die drei Musikerinnen mehrere Sinne ihrer Zuhörer anzusprechen und sie mit auf eine Reise ins Bremen des frühen 16. Jahrhunderts zu nehmen.
"Wenn wir heute auf der Straße spielen, begegnen uns immer die modernen Geräusche der Stadt", sagt Päzold. "Also haben wir uns gefragt: welche Geräusche begegneten wohl den Stadtpfeifern damals?" Aus diesem Gedanken ist gemeinsam mit Daniel Dominguez Teruel eine Klanglandschaft mit sieben verschiedenen Szenen entstanden, die die Musikerinnen bei ihrem Auftritt begleiten wird. Kirchenglocken, Stimmengewirr, verschiedene Gefährte und auch Tiere werden zu hören sein. "In der guten alten Zeit war es alles andere als ruhig," betont Mikheeva. "Und es wird auch gefährlich zwischendurch", fügt Päzold hinzu. "Feuer war damals eine große Gefahr." Auch dies werde Einzug in das Programm halten. Begleitet wird das Konzert außerdem von Bildern und einer Lichtkunst-Performance von Katrin Bethge. Drei weitere Musiker unterstützen die Hanse Pfeyfferey.
Abgesehen davon, ist das Ensemble noch bei den Feierlichkeiten zum Abschluss der ersten Saison des Zentrums für Kunst (22. Juni) und beim Bremer Blechbläserfestival "Dat brasst" (23. Juni) zu erleben. Wie es nach ihrer Residenz im Zentrum für Kunst weitergeht? "Es mangelt uns nicht an Ideen", sagt Dümpelmann. "Aus jedem Projekt entstehen neue Projekte."