Es ist nur ein Wort, das Theaterleiter Knut Schakinnis vor Beginn der Aufführung noch sagen will: "Endlich." Eigentlich wollte er schon vergangenes Jahr auf der Bürgerweide in seinem historischen Spiegelzelttheater "Die Bremer Weihnachtsgeschichte" zeigen, dann kam Corona dazwischen. Jetzt steht das Zelt wieder und zwar auf dem Platz der Deutschen Einheit vor dem Überseemuseum. Am Donnerstag fand die Premiere statt.
Um gebührend zu feiern, dass es in diesem Jahr endlich geklappt hat, hat Schakinnis keine Kosten und Mühen gescheut. Schon von Weitem sah man am Donnerstag zwei Scheinwerfer in den Nachthimmel strahlen. Vor dem Zelt sorgten kleine Feuerwerks-Fontänen für Aufsehen, verkleidete, leuchtende Stelzenläufer liefen im Eingangsbereich herum und verteilten Schokolade.
Wer hier nicht zumindest ein kleines bisschen beeindruckt war, war es spätestens nach dem Betreten des Zeltes. Von außen lässt sich nicht vermuten, was drinnen alles Platz findet: Ein großzügiger Eingangsbereich mit Bar und Garderobe, Toiletten auf der rechten Seite. Geradeaus der große Bühnenbereich mit davor in einem Halbkreis angeordneten runden Tischen. Außerdem Sitzecken an den Rändern des mit rotem Samt und vielen kleinen Spiegeln ausgestatteten Zeltes. Das alles soll auf die kleine Rasenfläche vor dem Übersee-Museum passen? Kaum vorstellbar. Mit großen Abständen zwischen den Tischen, der hohen Zeltdecke und der 2G-Kontrolle am Eingang fühlt man sich als Besucher hier auch in Zeiten steigender Coronazahlen mehr als sicher.
Die Geister im Mittelpunkt
Was dann folgte, waren rund zweieinhalb Stunden beste Unterhaltung. Autor Oliver Geilhardt und Regisseurin Martina Flügge haben aus Charles Dickens Weihnachtsgeschichte eine Variante gemacht, die im Bremen des 19. Jahrhunderts spielt und bei der die drei Geister der Weihnacht im Mittelpunkt stehen.
Für alle, die Dickens nicht mehr vor Augen haben: Die Geschichte dreht sich um den alten, geizigen Ebenezer Scrooge, der alles und jeden um sich herum hasst. Vor allem Weihnachten. Seinen Angestellten Bob Cratchit bezahlt und behandelt er schlecht, sodass dieser mit seiner Familie kaum über die Runden kommt. Auch sonst ist er einfach zu niemandem nett. Bis ihm an Weihnachten sein verstorbener Geschäftspartner und drei Geister erscheinen, die ihn warnen wollen, wie sein Leben endet, wenn er weitermacht wie bisher. Sie zeigen ihm Bilder aus seiner Vergangenheit, der Gegenwart und auch der Zukunft, und versuchen damit sein Herz zu erweichen. Was schließlich auch gelingt.
Im Spiegelzelttheater heißt Scrooge Ekkehart Knickerbüdel (Marcus Rudolph) und ist ein gierig-knausriger Bremer Kaufmann. Und auch die Geister, die ihm erscheinen, sind etwas anders als die in Dickens' Geschichte. Da wäre zuerst Victoria (Saskia Dreyer), Geist der Vergangenheit, ein blonder Engel in Weiß, der Knickerbüdel an seine eigene Kindheit mit strengem Vater und an seine verflossene Liebe Isabella erinnert. Diese erscheint Knickerbüdel auch als Vision, dargestellt von der Artistin Estrella Urban, die das Stück immer wieder durch beeindruckende Akrobatikelemente ergänzt.
Bremer Leckereien im Gepäck
Ein Höhepunkt des Abends ist der Geist der Gegenwart. Der heißt Gunda (Hanna Riehm) und kommt als Punk in knalligem Tutu mit verfilzten grauen Haaren daher (Kostüme: Lilli Schakinnis). Gunda hat immer Hunger und es vor allem auf Bremer Leckereien abgesehen. Eine Stange Babbeler oder Kekse mit Senatskonfitüre hat sie immer griffbereit, nicht selten unterbricht sie das Stück mit Zwischenrufen wie "riecht es hier irgendwo nach Knipp?". Sie führt Knickerbüdel ins Armenviertel (den Schnoor) und zeigt ihm, in welch schlechten Verhältnissen sein Angestellter Robert Kuller (Patric Dull) lebt. Eigentlich will sie ihm mit Hilfe der beiden anderen Geister auch noch ein Krippenspiel vorführen, das geht aber mächtig in die Hose.
Und das liegt vor allem am dritten Weihnachtsgeist, dem Geist der Zukunft. Der heißt Zachäus (Aniello Saggiomo) und ist gerade erst zum Geist geworden. Er ist also so etwas wie ein Praktikant, der sich zudem auch noch seine Flügel verdienen muss. Wenn es ihm nicht gelingt, seine Aufgaben zu erfüllen, kommt er in die Hölle. Und die heißt hier Delmenhorst.
Mit der Mischung eines Klassikers mit lokalen Elementen, Akrobatik, Witz und toller Musik - von diversen Weihnachtshits über ein umgedichtetes "Cabaret" oder auch einem Song aus Disneys "Herkules" - haben Shakinnis und sein Team ein kurzweiliges, rundum gelungenes Theatererlebnis auf die Beine gestellt. Die besondere Atmosphäre des Spiegelzeltes, dessen Platz von den Darstellern auch fernab der Bühne voll ausgenutzt wird, trägt auch ihren Teil dazu bei. Rudolph mimt einen wunderbar menschenhassenden Knickerbüdel, und vor allem Riehm und Dreyer sorgen mit ihrem starken Gesang für Gänsehautmomente.
Sicher ist: Wer vor dem Theaterbesuch noch nicht in Weihnachtsstimmung ist, ist es hinterher ohne jeden Zweifel. Und wer weiß, vielleicht können die drei schrulligen Geister ja noch den einen oder anderen weiteren Bremer Weihnachtsmuffel ein bisschen erweichen.