Die Kunsthalle Bremen widmet sich ab sofort einem Thema, zu dem wohl jeder irgendeinen Bezug hat: dem Sonnenuntergang. Unter dem Titel "Sunset. Ein Hoch auf die sinkende Sonne" zeigt das Museum ab Sonnabend 120 Arbeiten rund um das allseits beliebte Naturschauspiel - Werke aus der Romantik ebenso wie solche aus dem 21. Jahrhundert. Ein Blick auf die Highlights der Ausstellung.
Große Namen
Was wäre eine Ausstellung wie diese, die fast das gesamte Erdgeschoss des Museums einnimmt, ohne große Namen mit Strahlkraft? Die Kunsthalle hat sich hierbei nicht lumpen lassen und Leihgaben sowie Arbeiten aus dem Bestand zusammengetragen, die von Künstlern stammen, die besonders viele Menschen kennen. Dabei sind unter anderem vier Prints aus der "Sunset"-Serie von Andy Warhol, das Gemälde "Das Parlament, Sonnenuntergang" von Claude Monet, die "Exotische Landschaft am Abend" von Emil Nolde oder "Frau vor der untergehenden Sonne" von Caspar David Friedrich.
Der Klimawandel spielt eine Rolle
In einer Welt, die immer wärmer wird, spielt natürlich auch der Klimawandel eine zentrale Rolle, wenn es um den Sonnenuntergang geht. So auch in der Ausstellung - mal ganz plakativ, mal unterschwellig oder nur auf der Interpretationsebene. Ein ganz klares Bild fand Klaus Staeck schon 1979 auf seinem Plakat "Keine Freiheit ohne Verschwendung". Darauf zu sehen ist ein fröhlich grinsendes Paar hinter einem silbernen Auto. Über ihnen hebt gerade ein Flieger ab, hinter ihnen versinkt die Sonne an einem blutroten Himmel. Das Plakat und andere thematisch passende Bilder, die sich mit der Reiselust des Menschen beschäftigen, stehen einer riesigen Strandszenen-Tapete aus den Siebzigerjahren gegenüber, auf der - natürlich - auch gerade mit viel Kitsch die Sonne untergeht.

Konrad Schulz' "Huge hot tyre" (1970) macht die Sonne zu einem überdimensionalen Autoreifen, der alles zu überrollen droht.
Bei anderen Bildern, die in ihrer Beschreibung einst noch von mysteriösem Nebel oder ähnlichen Romantisierungen geprägt waren, weiß man heute: Das, was der Künstler hier festgehalten hat, ist wohl eher Smog. Und wieder andere Künstler verarbeiten das Thema mit einer gewissen Prise Humor. Thomas Rentmeister zum Beispiel, dessen Arbeit "Sunset" (2021) eine gerahmte, halbgeschredderte Sonnenblumen-Plastiktüte aus der Apotheke zeigt. Eine Anspielung auf Banksys "Girl with Balloon", ebenso wie auf ein umweltschädliches Relikt, das mittlerweile fast, aber eben nur fast, aus unserem Alltag verschwunden ist.
Hobbyfotograf neben großer Kunst
Im Vorfeld der Ausstellung hatte die Kunsthalle dazu aufgerufen, eigene gelungene Fotografien von Sonnenuntergängen einzusenden. Und das Museum wurde förmlich zugeschüttet: Mehr als 6000 Menschen folgten dem Aufruf. Aus allen Einsendungen wurden 111 Bilder ausgewählt. Sie sind nun nacheinander in der Ausstellung zu sehen: Gedruckt auf einem großformatigen Kalender, der vor der Sonnenuntergangs-Tapete hängt. Jeden Tag bis zum Ende der Ausstellung wird ein Kalenderblatt mit einem der Fotos gezeigt. Dass der Aufruf so gut ankam, ist nicht überraschend: Wer ausgewählt wurde, kann nun schließlich immer behaupten, er habe schon neben großen Meistern im Museum gehangen.
Und dies war nicht der einzige Aufruf des Museums: Das Team hat zudem erfahrene Yoga-Praktizierende darum gebeten, sich eine Abfolge an Übungen zu überlegen, die für eine "Sonnenverabschiedung" stehen. Im Gegensatz zum bekannten "Sonnengruß" gibt es diese im Yoga nämlich bisher nicht. Zu sieben eingereichten Abfolgen hat das Museum Videos gedreht, die im Laufe der Ausstellungszeit unter anderem auf dem Youtube-Kanal der Kunsthalle gezeigt werden sollen.
Noch mehr Partizipation gefällig? Zu acht der ausgestellten Werke wurden Gedichte verfasst. Diese kann sich der Museumsbesucher während seines Rundgangs über die "Art Surfer"-Webapp anhören. Dort gibt es auch Sound-Konstellationen zu den einzelnen Ausstellungsräumen zu entdecken.
Und sonst noch...
Ein wenig Kunst gibt es bereits zu erleben, wenn man vor der Kunsthalle steht. Zumindest mit Einsatz der Dämmerung. So hat der Schweizer Lichtkünstler Daniel Hausig extra für die Fassade der Kunsthalle eine Lichtinstallation entwickelt. Drinnen gibt es außerdem ein Gemälde, das sich dreht und eines, das absichtlich völlig schief hängt, damit das Museum seinen Plan, die Bilder alle auf einer Horizontlinie zu hängen, umsetzen konnte. Es gibt zwei Sonnen, die früher einmal Wurstscheiben waren, eine Sonnenuntergangs-Postkartensammlung und mehrere Arbeiten, die sich - mal mehr mal weniger subtil - mit dem "grünen Leuchten" auseinandersetzen, einem Phänomen, das sich mit viel Glück beobachten lässt, wenn die Sonne hinter dem Meer versinkt.
Es gibt kitschige Arbeiten mit Berg- und Meeransichten, lustige Arbeiten, aber auch solche, die das Thema Vergänglichkeit in den Fokus rücken. Und wer genau hinsieht, wird feststellen, dass auch die Wandfarben in den einzelnen Museumsräumen nicht ganz zufällig ausgewählt wurden. Kurzum: "Sunset. Ein Hoch auf die sinkende Sonne" zeigt, wie vielseitig das Thema Sonnenuntergang in der Kunst wirklich ist, und dass es sich lohnt, dem Thema eine eigene Ausstellung zu widmen.