- Um was geht es?
- Was zeichnet die Inszenierung in Bremen aus?
- Wie spielt Gayle Tufts die Hauptrolle?
- Warum ist "Hello, Dolly!" ein Ensemblestück?
- Und was ist mit Bühne und Kostümen?
Das Publikum liebt sie, sofort. Gayle Tufts hüpft durch ein Plakat auf die Bühne, stürmt nach vorne, lächelt. Mehr braucht es nicht, damit die Zuschauerinnen und Zuschauer bei der Premiere des Musicals "Hello, Dolly!" am Freitag im ausverkauften Theater am Goetheplatz klatschen. Da sind gerade mal fünf Minuten vorbei. Und so geht es weiter an diesem Abend, der zu einem Triumph werden wird, weil einfach alles stimmt an dieser Produktion. Applaus nach jedem Song. Fast zehn Minuten Standing Ovations, als alle Paare sich endlich gekriegt haben um 22.15 Uhr. Der Saal tobt, der Saal jubelt.
Um was geht es?
Wie meistens in Musicals ist die Grundidee so einfach wie zündend. In dem von Jerry Herman geschriebenen Stück soll Heiratsvermittlerin Dolly Levi dem geizigen Kaufmann Horace Vandergelder eine geeignete Ehe-Kandidatin vermitteln. Infrage kommen die Hutmacherin Irene Molloy und Universalerbin Ernestina Money. Doch Dolly hat auch selbst ein Auge auf Vandergelder geworfen; sie ist Witwe, will sich aber nicht länger in ihrer Trauer verkriechen, sondern das Leben wieder genießen. In New York soll es zum Stelldichein kommen, doch Vandergelders Angestellte Cornelius Hackl und Barnaby Tucker möchten ebenfalls etwas erleben – und sorgen für Verwirrung.
Was zeichnet die Inszenierung in Bremen aus?
Regisseur Frank Hilbrich und Dramaturgin Brigitte Heusinger nehmen das Musical als leichtes, lockeres Genre ernst. Hilbrich beweist ein geniales Händchen für (hohes) Tempo und Timing. Das sorgt für viel Schwung. Gleichzeitig befreit er die altmodische Geschichte (Uraufführung: 1964) mit überbordendem Witz, Slapstick und Situationskomik von angestaubten Rollenbildern. Die Inszenierung dreht sich weniger um das vordergründige Ziel, endlich einen (Ehe-)Partner zu finden, sondern darum, aus alten Mustern auszubrechen. Vandergelders Angestellte sind mit ihren Jobs genauso unzufrieden wie Irene Molloy mit ihrem Hutladen. Alle erfinden sich im Laufe des Abends neu. Diversität und Queerness schwingen dabei immer mit. Sie werden aber nie plakativ ausgestellt, sondern kommen als ganz selbstverständliche Aspekte menschlichen Lebens vor.
Wie spielt Gayle Tufts die Hauptrolle?
Gayle Tufts ist als Dolly Levi einfach unwiderstehlich. Sie singt und spricht in dem von ihr kreierten "Dinglish", einer ulkigen Mischung aus Deutsch und Englisch. Und natürlich lässt ihre Dolly sich kein Gramm Butter vom Brot nehmen im Ringen mit Horace Vandergelder. Doch Frank Hilbrich gönnt ihr auch nachdenkliche Momente, in denen sie Zwiesprache mit ihrem verstorbenen Ehemann Ephraim hält. Dann stoppt der Trubel, das Licht wird gedimmt, es wird still. Dollys zweite, unsichere und einsame Seite, kommt zum Vorschein.
Warum ist "Hello, Dolly!" ein Ensemblestück?
Gayle Tufts zieht keine One-Woman-Show ab, sondern fügt sich in ein spielfreudiges Ensemble, bei dem jeder und jede überzeugt. Allen voran Bariton Christoph Heinrich als muffeliger, leicht dämonischer Horace Vandergelder und Mezzosopranistin Ulrike Mayer, die eine sehr sinnliche Irene Molloy ist. Ein großer Gewinn fürs Theater ist zudem Ian Spinetti, der bei seinem charismatischen Debüt als Cornelius Hackl seinen runden Tenor leuchten lässt. Elisa Birkenheier (Minnie Fay) und Timo Stacey (Barnaby Tucker) sind ebenso präsente komische Side-Kicks wie Tänzer und Choreograf Joël Detiège als Ernestina Money im pinken Einteiler.
Nicht denkbar wäre die stets leicht durchgeknallt wirkende Szenerie zudem ohne den wie immer fabelhaften Chor (Leitung: Alice Meregaglia) und die Tänzer Martina Vinazza, Anne Friederike Wolf, Aniel Agramonte Rivero und Evert Bakker, die durch manchmal fast akrobatische Einlagen glänzen (Choreografie: Dominik Büttner). Die Bremer Philharmoniker in kleiner Besetzung unter Leitung von William Kelley haben bei der Ouvertüre leichte Anlaufschwierigkeiten, grooven sich dann aber schnell warm. Die Mischung aus Swing, Polka und (ironisch gebrochenen) Märschen kommt passgenau. Bei den Songs trumpft das Orchester nicht nur bei dem Ohrwurm "Hello, Dolly!" auf, sondern auch bei zarten Stücken wie "Es kann nur ein Moment sein".
Und was ist mit Bühne und Kostümen?
Volker Thiele hat eine schlichte, tiefe Bühne gebaut, mit dunkel getäfelten Wänden und einem kleinen Extra-Theater für die Bremer Philharmoniker auf der Hinterbühne. Sogar die Show-Treppe wirkt eher dezent. Umso besser kommen die knallbunten, fantasievollen Kostüme und Hüte von Gabriele Rupprecht zur Geltung. Sie sind es, die "Hello, Dolly!" zur ganz großen Show werden lassen. Einer Show, die so viel Spaß macht, dass man sie sich nicht entgehen lassen sollte.