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Neu am Theater Bremen Mit dem Technischen Direktor Markus Pockrandt auf den Schnürboden

Im Herzen des Theaters Bremen: Markus Pockrandt, der neue Technische Direktor, gibt Einblicke in seine vielfältigen Aufgaben.
21.09.2024, 05:00 Uhr
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Von Sebastian Loskant

Wer im Theater Bremen hoch hinaus möchte, muss zwischen Haupt- und Seitenbühne des Großen Hauses einen engen Fahrstuhl besteigen und den Knopf mit der Ziffer vier drücken. Langsam geht es hinauf zum Schnürboden, zu den 42 Maschinenzügen, 25 Handkonterzügen, zehn Punktzügen und drei Beleuchterzügen der Obermaschinerie. Man sieht eingehängte Kulissen, die erst dann ins Blickfeld der Zuschauer herabgelassen werden, wenn es die Inszenierung erfordert. Noch eine Metallleiter hinaufgeklettert, und man steht 22 Meter über der Bühne bei den zugehörigen Seilrollen, blickt leicht schwindelnd durch das Gitter, das hier den Fußboden ersetzt, in die Tiefe auf das "Lohengrin"-Bühnenbild hinunter. Ein Schraubenzieher oder Kugelschreiber sollte hier möglichst nicht hinabpurzeln.

"Sieht ja sehr aufgeräumt aus", freut sich Markus Pockrandt, der neue Technische Direktor, am höchsten Punkt seines Arbeitsbereichs. Der schlanke, jung gebliebene 50-Jährige ist erst wenige Wochen im Amt. Ja, manchmal verlaufe er sich noch in den verschlungenen Gängen, gesteht er lachend, aber in die laufenden Vorbereitungen für die ersten Premieren zu springen, das sei er gewohnt. "Außerdem habe ich hier den Luxus, dass mein Vorgänger Frank Sonnemann mich noch ein halbes Jahr lang einarbeitet."

Über die Bühne fliegen

Pockrandt ist für die Sicherheit von 440 Beschäftigten plus Orchester und die Organisation aller technischen Abläufe verantwortlich, ob es um Fluchtwege, Ausstattung oder Arbeitsschutz geht, ob ein neues Beleuchtungssystem eingeführt wird oder ein Schauspieler am Seil über die Bühne fliegen soll. Der Neue bringt dafür viel Erfahrung mit. In Hanau geboren, studierte er einige Semester Musikwissenschaft, ehe es ihn ins Handwerk zog. Er wurde Zimmerer, machte seinen Meister, arbeitete als Konstrukteur in einem Ingenieurbüro für Holzbauplanung und bildete sich zum Restaurator weiter. Zwölf Jahre arbeitete er am Hessischen Staatstheater Wiesbaden, wo er seinen Meister für Veranstaltungstechnik machte. Über das Staatstheater Nürnberg (ab 2019) und das Theater Bielefeld (ab 2022), wo er auch schon Technischer Direktor war, kam er an die Weser. Er habe sich mit seiner Familie in Bremen bereits gut eingelebt, erzählt er.

Vom Schnürboden geht es in die Tiefe, Pockrandt ist auch der Herr über die Untermaschinerie mit sechs Doppelstock-Hubpodien, zwei Orchesterpodien und einem Drehscheibenwagen. Außer der Bühnentechnik mit Beleuchtung, Video, Ton und Requisite hat er auch ein Auge auf Schlosserei, Malsaal, Tischlerei, Plastiker und Dekorationswerkstatt. Die Gewerke befinden sich allesamt, über vier Stockwerke verteilt, im Haus. Ein Kulissengerüst, das die Schlosser im Erdgeschoss anfertigen, erhalten Tischler und Maler im dritten Stock über einen gut sieben Meter hohen Fahrstuhl. Mit ihm kann die fertige Szenerie auch in die Deko-Abteilung im ersten Stock und am Ende gleich auf die Bühne hinabgebracht werden.

Die Kulissen sind so konstruiert, dass man sie in Einzelteilen transportieren kann. "Die Kunst ist es, die Fugen so zu kaschieren, dass das Publikum davon nichts merkt", bemerkt der gelernte Zimmerer schmunzelnd. Dass die Werkstätten nicht irgendwo außerhalb der Stadt liegen, wie es Pockrandt in Nürnberg erlebt hat und wie es etwa auch die Staatsoper Hamburg und das Theater Osnabrück praktizieren müssen, habe den Vorteil der direkteren Kommunikation und der engeren Bindung ans Haus. "Hier fühlt sich jeder persönlich für das Gelingen verantwortlich, sagt er und betont: "Ohne eingespielte Teamarbeit würde hier nichts funktionieren."

Molotow-Cocktails ausprobiert

Bei mehr als 30 Neuproduktionen pro Saison müssen auch alle Rädchen ineinandergreifen. Die Expertise des Technischen Direktors ist in der Regel bei den aufwendigen Produktionen im Großen und Kleinen Haus gefragt. Am Anfang muss er auf einer Bauprobe entscheiden, ob die Ideen von Regisseur und Bühnenbildner umsetzbar sind und innerhalb des Budgets bleiben. Am Ende kommt er zu den Bühnenproben wieder dazu. "Wasser und Feuer sind immer die größten Herausforderungen", weiß Pockrandt.

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Er hat da schon manches Problem gelöst: Eine Sängerin, aus deren Krug permanent Wasser laufen sollte, wurde so gestellt, dass man das Gefäß unbemerkt an eine Leitung im Bühnenboden anschließen konnte. Lkw-Plane sei am besten geeignet, um zu verhindern, dass Wasser die Elektronik der Unterbühne lahmlege, weiß er. "Und als ein Regisseur in Wiesbaden zu einer Video-Projektion Molotow-Cocktails zünden wollte, sind wir mit der Feuerwehr in einen Steinbruch gefahren und haben ausprobiert, wie wir das möglichst gefahrlos umsetzen können." Scheinbar Unmögliches zu ermöglichen, das sei das Spannende an seinem Beruf, fügt Pockrandt fröhlich hinzu: "Am Theater muss man immer bereit sein, um die Ecke zu denken."

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