Herr Spering, am 18. Juni bringen Sie Claudio Monteverdis letzte Oper "La incoronazione di Poppea" (Die Krönung der Poppea) von 1642 am Theater Bremen heraus. Was reizt Sie daran besonders?
Christoph Spering: Böse Zungen behaupten ja, viele Hörer würden nur auf das berühmte Liebesduett von Kaiser Nero und seiner zweiten Frau Poppea am Schluss warten. Aber die Oper des 74-jährigen Monteverdi erzählt auch mit viel Sex and Crime eine pralle politische Geschichte aus dem alten Rom. Um seine Geliebte zu heiraten, verstößt Nero seine erste Frau Ottavia, verbannt Poppeas Gatten Ottone und treibt den mahnenden Philosophen Seneca in den Selbstmord. Regisseurin Tatjana Gürbac plant eine recht blutrünstige Inszenierung. Es soll – im royalen Jahr – ein großer theatralischer Abend werden.
Wie gehen Sie als Spezialist für Alte Musik vor?
Ich betrachte mich gar nicht als Spezialisten für Alte Musik. Zwar spiele ich aktuell Bachs zweiten Kantatenjahrgang mit 45 Werken für die Platte ein, ebenso aber habe ich jüngst Orchesterwerke von Max Reger und Orchesterlieder von Gustav Mahler mit historischen Instrumenten aufgenommen. Mein Schwerpunkt liegt eigentlich in der Romantik. Von daher ist es mir wichtig, Alte Musik nicht überspezialisiert zu präsentieren, sondern sie aus dem Blickwinkel von heute zu betrachten. Unsere Sinne tun sich mit dreieinhalb Stunden Renaissance-Musik und herumstehendem Opernpersonal ja erst mal schwer.
Wie steuern Sie dem entgegen? Es gibt zwei Fassungen der Oper, eine längere aus Mailand und eine kürzere aus Venedig. Sie wählen dann wahrscheinlich die venezianische Version?
Richtig vermutet, und auch die kürzen wir von gut drei auf knapp zwei Stunden. Wir konzentrieren uns auf die Hauptpersonen und lassen Nebenfiguren wie den Pagen weg. Vom zeittypischen Prolog, in dem sich die Götter streiten, behalten wir nur die Figur des Amors bei, der die Handlung als erwachsener Liebesgott begleitet: Denn in dieser Oper setzt sich ja die Liebe gegen alle anderen Tugenden rücksichtslos durch. Auch achten wir darauf, dass die Dialoge wirklich wie Gespräche ablaufen, in denen sich die Personen auch mal ins Wort fallen. Denn das Stück funktioniert, überspitzt gesagt, wie ein Schauspiel mit Musik.
Wenn man die Partitur betrachtet, wirkt sie recht karg. Zwei Geigenstimmen, eine Bassstimme, darüber die Gesangsstimmen. Wird das nicht schnell eintönig?
Dirigenten von Nikolaus Harnoncourt bis René Jacobs haben das Stück üppig instrumentiert. Ich wähle einen Ansatz mit kleiner Besetzung: zwei Geigen, Cello und Kontrabass, zwei Lauteninstrumente und zwei Cembali. Die werden links und rechts an der schrägen Spielfläche positioniert und begleiten jeweils die dort auftretenden Figuren, sodass sich Stereo-Effekte ergeben. Das balanciere ich in den Proben minutiös aus. Wir spielen in mitteltöniger Stimmung – die Gegend der Arp-Schnitger-Orgeln hier ist ja die Wiege der Mitteltönigkeit. Dadurch ergeben sich sehr gute und sehr böse Akkorde, also eine Färbung, die manchmal exotisch klingt.
Sie setzen also auf eine kammermusikalische Interpretation...
Es ist keine Musik, die auftrumpft, aber sehr abwechslungsreiche, intelligente Musik. Ein Publikum, das gerade Tschaikowskys "Pique Dame" gehört hat, muss sich sicher erst an den geringen Lautstärkepegel gewöhnen, wenn nur noch fünf Prozent des gewohnten Orchesters auf der Bühne sitzen. Aber hat man sich eingehört, dann macht dieser Klang süchtig. Wichtig ist es mir, auf die übliche Verzierungs-Manieritis zu verzichten und nicht zu hetzen, damit sich die stillen musikalischen Momente entfalten können. Auch Pausen machen die Musik.