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Shakespeare Company Bremen Vater-Sohn-Konflikte auf der Bühne: Roßbanders "Schwanengesang"

Erik Roßbander verlässt nach 35 Jahren die Bremer Shakespeare Company. Doch nicht ohne ein besonderes Projekt: Mit seinem Sohn Ilja wird er auf der Bühne stehen. Ein Stück, das mehr als nur Theater ist.
05.04.2025, 05:00 Uhr
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Von Sebastian Loskant

Eine Altbau-Wohnung im Gete-Viertel, hohe Decken, offene Räume, Schiebetür. Das Zuhause der Roßbanders. Die Stubentiger Elmo und Ari schnurren durch die Katzenklappe in den Garten und zurück, während Lizzy, die alte Katzendame, auf der Decke im Sessel wachsam Regie zu führen scheint. Beherrschendes Möbel ist der große hölzerne Küchentisch.

Hier erzählen die Schauspieler Erik und Ilja dem Reporter von ihren Vater-Sohn-Konflikten, an diesem Tisch haben sie genau zu diesem Thema mit dem befreundeten Autor und Regisseur Thomas Weber-Schallauer lange an einem ungewöhnlichen Projekt gebrütet: einem "Schwanengesang", mit dem sich Vater Erik nach 35 Jahren in der Bremer Shakespeare Company verabschieden und zugleich erstmals gemeinsam mit Sohn Ilja auf der Bühne stehen wird. Premiere ist am 11. April.

Der Vater: "Ich bin wohl der erfahrenste Shakespeare-Spieler Deutschlands": Erik Roßbander hat es einfach, dieses Burgtheater-Flair des gestandenen Mimen, der alle großen Rollen seines Lieblingsautors gespielt hat – vom jungen Liebhaber bis zum alten König. 1980 bis 1984 studierte er in Leipzig: "Ich habe die ganze DDR-Sozialisation mitgenommen und dort noch sechs Jahre gespielt, was in einer geschlossenen Gesellschaft sehr spannend und ein tolles Ventil war", erzählt der 64-Jährige. "In diesem verkommenen Staat war es einfacher, Entscheidungen zu treffen."

Gleich nach dem Mauerfall ging er mit seiner Frau Heike Neugebauer und dem 1988 in Magdeburg geborenen Ilja in den Westen, fand in Bremen seine Heimat. "Ilja hat es schwerer gehabt, schon von der Ausbildung her trennen uns Welten", bemerkt der Vater und fügt hinzu. "Wir unterscheiden uns auch vom Typ grundsätzlich. Ich bin eher die Rampensau, die nach vorn geht."

Der Sohn: Ilja Roßbander wirkt introvertierter. Sein ernstes Gesicht mit den blauen Augen und dem rötlichen Haar hat man schon im Fernsehen gesehen, oft in Krimiserien. Der 36-Jährige wirkt prädestiniert für vergrübelte, schwierige Charaktere. "Er sei der melancholisch-depressive Typ", sagt er selbst. Der 36-Jährige hat nach dem Studium 2009 bis 2013 in München nur kurze Zeit Theater gespielt, er arbeitet als freischaffender Film- und Fernsehschauspieler.

"Ilja hat den schweren Weg gewählt", sagt Erik. Ilja weiß: Sein Vater hätte es gern gesehen, wenn er die Karriere zielgerichteter gestaltet hätte. Im unterschiedlichen Zugang der beiden zu ihrem Beruf steckt spürbar viel Konfliktpotenzial: "Wir haben uns oft gefetzt." Ob die Mutter da wohl dachte, die beiden sollten sich mal aussprechen? Auf der Bühne?

Die Ideengeberin: Die Initiatorin des "Schwanengesangs" ist gerade nicht daheim – Heike Neugebauer. Seit 1991 als Bühnen- und Kostümbildnerin an der Shakespeare Company, übernimmt sie die Ausstattung der Produktion, die damit zum Familienprojekt wird. Ein Filmschauspieler machte sie auf die kurze Novelle "Kalchas" von Anton Tschechow aufmerksam, doch als sie Thomas Weber-Schallauer fragte, ob er daraus ein Kammerspiel zum Bühnen-Adé ihres Mannes stricken wolle, meinte der: "Ein dünnes Ding, ein Genre-Bild, die Konfliktfelder zwischen den Personen sind zu flach."

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Was Tschechow erzählt: Die Geschichte ist nur sechs Seiten schmal. Ein alter Komiker erwacht in seiner Theatergarderobe. Nach einer Benefizvorstellung zu seinen Gunsten hat er ausgiebig gebechert und findet sich jetzt allein im Kostüm des griechischen Sehers Kalchas im Theater wieder. Als er im dunklen Zuschauerraum nach seinen Helfern ruft, erhebt sich in der Ehrenloge eine weiße Gestalt. Es ist der Souffleur in Unterwäsche, mangels einer anderen Bleibe übernachtet er heimlich im Theater. Ihm schüttet der alte Kalchas sein Herz aus, jammert über die Hohlheit des Theater-Daseins.

Was daraus wird: Eine Skizze sei das bloß, sagt Vater Erik, ein Mikrodrama. Doch Weber-Schallauer habe um die Grundkonstellation einen archetypischen Generationenkonflikt erdacht. "Der Alte hat den Jungen ans Theater gebracht, ist aber wahnsinnig enttäuscht, dass der nur Souffleur ist. Bei uns kommt hinzu: Es sind Vater und Sohn, im Stück und auch real." Ilja ergänzt: "Thomas hat zielsicher Aspekte aus unseren Leben eingefügt." Sie hätten fast nichts ändern müssen.

Shakespeare muss mit: Als Reverenz an die Company und Eriks Laufbahn nutzt der Autor einen besonderen Kniff: Der Vater-Sohn Konflikt wird zunächst mithilfe von Shakespeares Vaterfiguren aus "König Lear" und "Hamlet" ausgetragen. Erik beschreibt es so: "Der Vater sagt: ,Ich spiele den Lear und du eine der Töchter.' Und dann arbeiten sich beide aneinander ab." Und zwar im Shakespeare-Versmaß, im Blankvers. "Dadurch ist es persönlich, aber nicht privat", sagt Ilja. "Im Stück kann ich ihm Sachen sagen, die ich ihm schon immer sagen wollte."

"Die Grenzen verfließen", betont Erik. "Kein Zuschauer wird hinterher sagen können: Ich kenne euch jetzt ganz genau." Wichtig ist ihm auch: "Bei den Proben begegnen wir uns als Kollegen." Was Konflikte nicht ausschließt: Ilja fühlte sich beim Spiel etwa durch das Licht des I-Pads gestört, das sein Vater als Arbeitsgrundlage mitbringt: "Da haben wir uns richtig gekabbelt."

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Was die zwei mitnehmen: "Anfangs gab einen Moment, in dem ich dachte: Boah, auf keinen Fall", gesteht Ilja. Aber schnell sei ihm klar geworden: "Mache ich das jetzt nicht, werde ich es, wenn es meine Eltern irgendwann nicht mehr gibt, bereuen. Es ist wertvoll, dass ich mit meinem Vater so viel Zeit verbringen kann."

Die Katzen streichen zwischen den beiden am Küchentisch hin und her wie stille Botschafter. Der Betrachter spürt: Vater und Sohn haben eine Ebene gefunden, mit ihren Konflikten umzugehen. "Es fühlt sich jetzt an, als ob ich nach Hause komme", findet Ilja. Das letzte Wort hat natürlich Erik: "Man muss die Einheit hinter den Widersprüchen finden. Nur mit unseren Gegensätzen sind wir komplett."

Info

"Schwanengesang" hat am Freitag, 11. April, um 19.30 Uhr in der Shakespeare Company Premiere. Weitere Aufführungen folgen am 12. und 20. April, 2. und 10. Mai, 12. und 27. Juni.
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