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Späte Väter Warum Männer immer später Väter werden

Immer häufiger werden Männer im fortgeschrittenen Alter Väter. Das bringt neue Herausforderungen mit sich – allerdings auch einige Vorteile.
22.01.2023, 14:04 Uhr
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Warum Männer immer später Väter werden
Von Ben Zimmermann

Bernie Ecclestone war bereits Uropa, als er noch einmal Vater wurde: Im stolzen Alter von 89 Jahren konnte sich der langjährige Formel-1-Chef über sein viertes Kind freuen – weiterer Nachwuchs ausdrücklich nicht ausgeschlossen. Der Musiker Peter Maffay war 20 Jahre jünger, damit aber auch schon 69, als er eine Tochter bekam. Und im stolzen Alter von 73 Jahren wurde Rolling-Stones-Frontmann Mick Jagger nochmal Papa – bereits zum achten Mal.

Zugegeben: Das sind sehr schlagzeilenträchtige Beispiele weniger Prominenter. Doch auch Normalmänner genießen immer häufiger in späten Jahren noch Vaterfreuden. Ihr Anteil hat sich in den letzten Jahren vervielfacht. Mittlerweile hat jedes vierte Neugeborene einen Vater, der mindestens 40 Jahre alt ist, bei jedem 20. Baby hat der Erzeuger sogar schon die 50 überschritten.

Die Zahlen spiegeln eine gesellschaftliche Entwicklung wider, die schon lange im Gange ist: Paare entscheiden sich immer später, Eltern zu werden. Frauen sind durchschnittlich um die 30, wenn der erste Nachwuchs kommt. In den 1970er-Jahren waren sie in der Bundesrepublik zu diesem Zeitpunkt im Durchschnitt noch 25 Jahre alt, in der DDR sogar nur 22 Jahre. Doch während die Biologie ihnen engere Grenzen für das Kinderkriegen setzt, können Männer noch recht lange Väter werden.

Familie war früher kein Thema

Michael Proch muss selbst lachen, wenn er an den Spruch eines früheren Studienfreundes denkt: „Mensch Micha, du bist mein erster Bekannter, der später mal gleichzeitig Kindergeld und Rente kriegen wird.“ Der Satz fiel kurz nach der Geburt von Prochs erstem Kind vor gut zehn Jahren und bringt ganz gut auf den Punkt, worum es geht: dass sein Dasein als Vater recht spät begann. 46 Jahre alt war er bei der Geburt seiner ersten Tochter, 49 Jahre, als die zweite Tochter auf die Welt kam, und als sein Sohn das Licht der Welt erblickte, konnte Proch schon auf 52 Lebensjahre zurückschauen.

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Dabei hatte der Diplomingenieur das so nicht geplant. „Ich habe mich damals viel um meine Hobbys und Sport gekümmert“, sagt der frühere leidenschaftliche Fallschirmspringer. Familie war da kein Thema. „Doch dann kam das Leben dazwischen“, schmunzelt er. „Es hat halt ein bisschen gedauert, bis ich die Richtige gefunden habe.“

Es sind oft ganz ähnliche Dinge, über die Männer berichten, wenn sie von ihren späten Vaterfreuden erzählen: Man hat sich die Hörner abgestoßen, ist ruhiger geworden, muss nicht mehr jedes Wochenende auf Partys gehen und sich die Nächte um die Ohren schlagen, hat sich beruflich etabliert, ist oft finanziell abgesichert, hat mehr Zeit für den Nachwuchs. So ähnlich beschreibt es auch Proch. „Ich hatte nicht mehr so einen Berg vor mir im Leben.“ Das (erste) Haus war gebaut, beruflich lief es auch gut. Außerdem sei er „in vielen Dingen gelassener geworden. Man hat nicht mehr die Sorge, etwas im Leben zu verpassen“. Und finanziell kann er es sich inzwischen leisten, seine Arbeitszeit um 20 Prozent zu reduzieren.

Großeltern spielen untergeordnete Rolle

Späte Väter entschieden sich oft viel bewusster für Kinder, sagt Fredo Behrens. „Sie stecken viel Zeit und Engagement hinein.“ Behrens ist Pädagoge und Berater beim Verein „vakir – Raum für Vater und Kind“. Seit 25 Jahren ist er in der Väterarbeit, leitet in Bremen offene Gesprächsgruppen und Vätertreffs. Wer im fortgeschrittenen Alter Kinder bekomme, sei „schon durch die Rushhour des Lebens durch“, sagt Behrens. Einige hätten auch schon langjährige Beziehungen mit Kindern hinter sich und starteten noch einmal neu. „Sie haben dann die Chance, es anders zu machen als beim ersten Kind.“

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Klingt alles ganz plausibel und schön. Doch was ist mit den Nachteilen der späten Vaterschaft? Die gibt es durchaus. Die Stressresistenz nimmt ab, genauso wie die körperliche Fitness. Mit 30 steckt man eine durchwachte Nacht leichter weg als mit 50. Das Risiko, ernsthaft krank zu werden, steigt. Und natürlich ist ein 35-Jähriger näher an der Lebensrealität seines zehnjährigen Sohnes als ein 60-Jähriger. Behrens nennt noch einen weiteren Punkt: Die Großeltern spielen oft nicht mehr so eine große Rolle für die Kinder wie bei jüngeren Eltern, manchmal sind sie sogar schon gestorben.

Auch Michael Proch muss nicht lange überlegen, wenn er nach den beschwerlichen Seiten seines späten Vaterseins gefragt wird. „Natürlich würde ich auch gern mal die Füße hochlegen und ein Buch lesen – ohne dass die ganze Zeit die Kinder rumspringen“, sagt der 56-Jährige. Abends sei er oft geschafft. „Das ist auf jeden Fall anstrengend.“ Doch in seinem Alter könne er „in Ruhe sehen, wie die Kinder groß werden“. Auch an die Zeit danach denkt er schon, also wenn die Kinder das Haus verlassen. „Die Welt werde ich dann nicht mehr ein­reißen, aber ich bin dann auch noch kein Opa im Schaukelstuhl – eher irgendwas
dazwischen.“

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