Bremen ist Musik in ihren Ohren: Die gebürtige Gröpelingerin Rita Grynrock-Gutte hat in der Wirtschaftswunderzeit ihre Karriere als Tänzerin, Sängerin und Ansagerin im Varieté "Astoria" an der Katharinenstraße begonnen und ihre Kontakte nie abreißen lassen. Ein-, zweimal im Jahr fährt sie mit dem Auto von La Hulpe bei Brüssel nach Bremen, um ihre Geschwister, Freundinnen und Freunde zu treffen. Mit Vorliebe zum Jahreswechsel. In diesem Dezember aber ist sie schweren Herzens in La Hulpe geblieben. Wegen der Pandemie.
Längst ist Belgien ihre zweite Heimat. In Brüssel hat sie einst ihren Mann, den Komponisten und Pianisten Guillaume Grynrock, kennengelernt. Die Bremerin wurde als belgische Petula Clark ("Downtown") gefeiert und war auch in Paris und Dänemark engagiert, als Jazzmusik die Tanzflächen füllte. Eine Botschafterin des Jazz ist sie heute noch. Rita Grynrock-Gutte zählt zum Freundeskreis von Toots Thielemans (1922-2016), der aus dem gleichen Brüsseler Arbeiterviertel stammte wie ihr Mann und als Mundharmonikaspieler in den USA zu Weltruhm gelangt war. Toots hatte mit Stars wie Benny Goodman, Quincy Jones, Ella Fitzgerald, Sting und Stevie Wonder auf der Bühne gestanden, unter vielem anderen die Hintergrundmusik der "Sesamstraße" und Filmmusik komponiert. Melodien „zwischen einem Lächeln und einer Träne“, wie er sagte, einer Mischung aus Dur und Moll, „nicht weiß, nicht schwarz – pastell“.
Das Jazz Festival von La Hulpe ist dem Ausnahmemusiker gewidmet. Aber auch die Espace Toots Thielemans, ein eleganter Raum im Zentrum der Stadt mit Vitrinen, Multimedia und ausreichend Platz für Konzerte. Rita Grynrock-Gutte bringt sich dort einmal die Woche als Zeitzeugin ein. Wenn sie „Bluesette“ laufen lässt, mit einem Team des Regionalfernsehens über Toots redet oder über ihren Tennisclub spricht, ist die 89-Jährige in ihrem Element. Und das ist bei ihr sehr viel mehr Dur als Moll.
