Herzlichen Glückwunsch, Gisbert Hertel! Wobei: Will man diesem Ekelpaket wirklich gratulieren? Irgendwie nicht. So geht es vielen der Gäste, die zum 70. Geburtstag des Konzernchefs geladen sind. 200 sind gekommen. Und mindestens sechs von ihnen hassen den Gastgeber aus tiefster Seele. Sie alle haben auch einen berechtigten Grund dazu.
Da verwundert es nicht, dass keiner von ihnen richtig traurig ist, als Hertel nach einem Stromausfall während der Party plötzlich tot auf dem Boden liegt - im Bauch eine Stricknadel. "Zu schön, um wahr zu sein" und "Wer auch immer das war: danke!" gehören noch zu den nettesten Reaktionen der Partygäste auf Hertels Tod. Bleibt aber die Frage: "Wer war's?"
Typischer Whodunit-Krimi
Genau so lautet auch der Titel des Stückes, in dem das Bremer Kriminal-Theater seine Zuschauer ab sofort mit auf eben diese tödliche Geburtstagsparty nimmt. Der Schauspieler, Regisseur, Autor und Gründungsmitglied der Bremer Shakespeare Company, Chris Alexander, hat die Kriminal-Satire für das Theater geschrieben.
Das Stück ist das Paradebeispiel eines typischen Whodunit-Krimis, bei dem das Publikum aufgefordert ist, mitzuraten, wer denn nun für den Tod von Gisbert Hertel (Chris Alexander) verantwortlich ist. Mit dem minimalistisch gehaltenen Bühnenbild (Heiko Windrath) - goldene Samtvorhänge, zwei Party-Ballons, Musikanlage, Tresen, Büffettisch - konzentriert sich das Geschehen voll und ganz auf die sechs Verdächtigen.
Und das wären: das Ehepaar Alphons (Christian Kaiser) und Sigrid (Kathrin Steinweg) Finke. Alphons arbeitet seit Jahrzehnten für Hertel und muss sich von ihm einiges gefallen lassen, worunter natürlich auch seine auf der Party völlig überdrehte und betrunkene Frau leidet.
Dann wäre da noch Ute Scholz (toll: Uta Krause), die Ex-Frau des Toten - tough und scheinbar durch nichts aus der Ruhe zu bringen. Elf Jahre waren sie verheiratet, elf Jahre, in denen Hertel sie nicht nur einmal betrogen und - wie eigentlich alle Frauen in seinem Umfeld - wie Dreck behandelt hat. Es ist ihre Stricknadel, die schließlich im Bauch der Leiche steckt.
Ebenso schlecht zu sprechen auf Hertel ist Urs Bitterli (Christian Aumer), der - scheinbar aufgrund eines Drogenproblems - vor Jahren von Hertel gefeuert wurde und seitdem den Verstand verloren zu haben scheint. Und auch Jonas Löw (Denis Fischer), der Neffe des Toten, hatte einen ziemlichen Hass auf seinen Onkel, der sich weigerte, dem arbeitslosen und hoch verschuldeten Musiklehrer einen Job in seinem Unternehmen zu geben. Hertels Reaktion, wenn Löw ihn darauf hinwies, dass Blut dicker sei als Wasser: "In Sizilien vielleicht, aber doch nicht in Bremen." Löw hat seine Freundin Christine Müller (Alica Boll) mitgebracht, die während der Party mehrmals auf das Widerlichste von Hertel angebaggert wird. Grund genug, um einen Mord zu begehen?
Rückblicke und Verhör
Der Zuschauer im Kriminal-Theater bekommt die Geschehnisse vor dem Tod Hertels in Häppchen serviert. Das gesamte Stück über wechseln sich Rückblicke auf den Partyabend mit dem anschließenden Verhör ab, bei dem ein Kommissar (Ralf Knapp) die im Scheinwerferlicht stehenden Verdächtigen aus dem Off verhört. Eine gelungene Dramaturgie (Perdita Krämer), die es für den Zuschauer bis zum letzten Moment spannend macht.
Die Theatermacher setzen absichtlich auf größtenteils unsympathische, wütende Figuren, denen man fast allen einen kaltblütigen Mord zutrauen würde, egal, wie oft sie selbst ihre Unschuld beteuern. Die sieben Darsteller verkörpern ihre jeweilige Rolle mehr als glaubwürdig. Für den Zuschauer ist diese Geburtstagsfeier in vielen Momenten eine Party des Grauens, nicht wegen des Mordes, sondern schon vorher, wenn sich die Gäste durch schreckliches Benehmen, frauenfeindliche Kommentare und unglaublich schlechte Witze auszeichnen. Da ist man wirklich froh, dass man bei dieser Gesellschaft nicht mitfeiern muss.
Das Zuschauen allerdings macht Freude. Und so sollte man am Ende vielleicht doch gratulieren. Nicht Gisbert Hertel, aber dem Team des Kriminal-Theaters für diese gelungene Inszenierung.