Mit dem Laufen hat sie begonnen, um den Schmerz nicht mehr zu spüren. Die Ich-Erzählerin in Isabel Bogdans neuem Roman joggt um die Alster, sie rennt dabei nicht vor etwas weg, sondern versucht, neu Tritt zu fassen. Denn ihr Lebensgefährte hat sich umgebracht, und wie lebt man als Frau, Partnerin, Geliebte danach eigentlich weiter?
„Laufen“ heißt Bogdans Buch, ein elegant und rasant komponierter Stream of Consciousness. Ihre namenlos bleibende Protagonistin schwankt zwischen Wut, Verzweiflung, Trauer, Sehnsucht und kleinen Glücksmomenten. Tiefschwarz ist ihre Welt trotz des Verlusts nicht, sie hat das, was man ein soziales Umfeld nennt: Sie spielt mit Begeisterung Bratsche in einem Hamburger Orchester, hat eine beste Freundin namens Rike und weitere, ihr herzlich zugetane Menschen. Und eine Therapeutin namens Frau Mohl, die ihr wertvolle Tipps gibt. Was auch hilft, ist das Laufen, bei dem der Leser sie begleitet. Den endlosen Strom an Gedanken hat Bogdan passend zu dem Beruf ihrer Heldin mit Rhythmus, Leitmotiven, lauten und leisen Akzenten versehen. Wunderbar sind die Phantastereien über wildfremde Menschen, deren mögliche Biografien sich die Läuferin zusammenspinnt, aber auch der frische, mal poetische, manchmal grimmig komische Ton, mit dem sie sich auch immer wieder an den toten Freund wendet. Bogdan lässt ihre Heldin nicht nur fabulieren. Es gibt auch so etwas wie eine äußere Entwicklung in dieser eigentlichen Nicht-Geschichte, sogar ein neuer Mann taucht auf. Ein frisches, klischeefreies Buch, das viel zu schnell zu Ende ist.
Weitere Informationen
Isabel Bogdan: Laufen.
Kiepenheuer & Witsch, Köln. 208 Seiten, 16,99 €.