Am Freitagabend kürt der Innensenator die neue Miss Freimarkt. Sie wird ein Jahr lang den Freimarkt repräsentieren. Ein männliches Pendant gibt es nicht. Warum eigentlich nicht? Dem geht die Frage der Woche nach.
„Ich bitte die Braut auf die Bühne“ – so oder so ähnlich wird Innensenator Ulrich Mäurer am Freitagabend im Bayernzelt wieder eine junge Bremerin zu sich rufen. Eine von 43 Frauen, die sich dieses Jahr beworben haben, Miss Freimarkt 2012 zu werden. Mäurer wird der Auserwählten eine rot-weiße Schärpe umhängen, weil sie folgende Kriterien erfüllt: Sie kennt die Geschichte Bremens und des Freimarkts, ist charmant und offen, volljährig – und ledig.
2004 bestimmten die beiden Bremer Schaustellerverbände erstmals eine Miss Freimarkt. Sie soll das repräsentative Aushängeschild des Rummels sein, so die Idee. Aber warum soll das kein Mann tun? „Ich hab mich immer dagegen gewandt“, sagt Carl-Hans Röhrßen, Geschäftsführer des Bremer Schaustellerverbands. „So’n Quatsch machen wir nicht. Eine Miss Freimarkt reicht.“ Eine Frau sei eben werbeträchtiger als ein Mann: das ansprechende Aussehen, das festliche Abendkleid. „Und wenn ich mich umsehe beim Treffen der deutschen Königinnen: Da gibt es 150 Frauen, aber nur einen Kartoffelkönig.“
Es stimmt: Es sind fast nur Königinnen, die in Deutschland Botschafterinnen für Käse, Bärlauchblüten, Heidelbeeren oder Wein sind. Aber es gibt Gegenbeispiele: den „Kartoffelkönig“ im niedersächsischen Neuenkirchen, den „Linsenprinz“ im saarländischen Besseringen. Wäre da ein Mister Freimarkt so abwegig? Nicht für Susanne Keuneke, die Vorsitzende des Bremer Vereins der Schausteller und Marktkaufleute: „Ich habe als Frau in der Jury schon oft für einen Mister Freimarkt plädiert. Bis jetzt kam ich damit aber noch nicht durch.“
Der Freimarkt hatte sogar schon einmal einen Mister Freimarkt - wenn man Karl-Heinz Sengstake so bezeichnen will. Sengstake gab mit seiner Frau Hannelore ab 1985 das typische Bremer Paar, die Sengstakes: Er trug einen Zweireiher und einen Hut mit „Speckflaggen-Banderole“, sie Spitzenhandschuhe, Federboa und Hütchen. So warben sie für den Freimarkt, wie es heute die Miss Freimarkt tut.
Acht Jahre lang taten die Sengstakes das. „Dann waren wir nicht mehr zeitgemäß“, erzählt Karl-Heinz Sengstake, der heute 70 Jahre ist. „Es kommen ja sehr, sehr viele junge Leute auf den Markt, unsere Generation bleibt vermehrt zu Hause.“ So richtig warm ist das Ehepaar nicht damit geworden, dass es jetzt eine Miss Freimarkt gibt. „Bussis für den Innensenator, das haben wir früher nicht gemacht“, sagt er. Sie ergänzt: „Das hat heute schon was von einem Schönheitswettbewerb. Aber ein toller Mister Freimarkt wäre nicht schlecht!“
Die Bremer Frauenbeauftragte Ulrike Hauffe stört genau das: dass die Miss Freimarkt „gutaussehend im Sinne des vorherrschenden Schönheitsideals“ sein müsse, „um so männlich geprägte Vorstellungen zu bedienen“. In dieser Form halte sie das Amt für „überflüssig bis schädlich“. In einer anderen Form aber kann sich Ulrike Hauffe durchaus ein repräsentatives Freimarkt-Paar vorstellen: "Warum sehen sich die Schaustellerinnen und Schaustellern nicht unter ihren eigenen Leuten um und küren hier eine Misses und dann gerne auch einen Mister Freimarkt?" Das, so Hauffe, wäre eine echte Anerkennung des Berufsstandes. Und was die Schönheit angehe, müssten sich die Schausteller keine Gedanken machen: „Sie sehen auch gut aus - wie wir alle, wenn man den Schönheitsbegriff ein bisschen weiter fasst und Charakter, Ecken und Kanten - und gerne auch Falten - mit einschließt."