Nail-Art kennt man. Pop-Art auch. Aber was ist eigentlich Mail-Art? Kurzgesagt ist Mail-Art Kunst, die per Post verschickt wird. Entstanden ist die Mail-Art in den 1960er-Jahren. Als ihr Erfinder gilt der US-Künstler Ray Johnson. Und in einigen, von Diktatoren regierten Ländern, war Mail-Art auch lange Zeit ein Ausdruck des Protests und Widerstandes sowie ein Mittel, den üblichen Weg der Kunst über Galerien, Händler und Museen zu umgehen.
Bei dem Mail-Art-Projekt, das im Laufe dieses Jahres in Bremen entstanden ist, stand wohl eher das Wort Hoffnung im Zentrum. Und der Wunsch, auch während Corona mit anderen Künstlern in Kontakt treten und kreativ werden zu können. Die Bremer Künstlerin Dörte Schmidt hatte vergangenes Jahr die Idee, ein Mail-Art-Projekt zu starten. Mit der Künstlerin Edeltraud Hennemann fand sie eine Verbündete, die mit der Galerie Lichthof Kunstfabrik in Bremen-Nord zudem über geeignete Räumlichkeiten für eine potenzielle Ausstellung verfügt. Der Plan: Aufruf starten, Kunst sammeln, einen Online-Katalog daraus machen, die Arbeiten ausstellen.

Gute Laune verbreitet diese Arbeit von Gordy Beil aus Seattle, die im Rahmen von "Sende mir dein Licht" an die Lichthof-Kunstfabrik geschickt wurde.
Im Januar begann das Duo einen Blog und rief Künstler und Laien auf der ganzen Welt dazu auf, bis Ende September unter dem Motto "Send me your light", also: Schick' mir dein Licht, Kunst zu senden. Schon zwei Tage nach dem Aufruf hatte Hennemann den ersten Brief aus Frankreich im Kasten, fünf Tage später kam Post aus Japan. "Wir hatten auf 100 bis 120 Einsendungen gehofft, das ist gängig bei solchen Projekten", sagt sie. Am Ende wurden es mehr als doppelt so viele. Die Bilanz: rund 280 Mal Kunst-Post aus knapp 30 Ländern, darunter unter anderem Kunstwerke aus den USA, Russland, Brasilien oder Mexiko. "Immer, wenn ich den Briefkasten aufgemacht habe, habe ich mich gefühlt wie ein Kind an Weihnachten", sagt Hennemann. Und das, was sie im Kasten erwartete, waren keine einfachen weißen Umschläge. Schon die Kuverts waren laut Hennemann oftmals wahre Kunstwerke.
Ihre persönlichen Favoriten? "Es waren so viele", sagt sie, nennt dann aber doch noch zwei Beispiele. Die Arbeit des Bremer Künstlers Peter Müller unter anderem, der das Bild einer Coca Cola Light-Flasche mit einer Kerze oben drin geschickt hat. "Die Idee muss man erst mal haben", sagt Hennemann und lacht. Oder die Arbeit von Ilona Arndt aus Hannover: die Zeichnung einer Frau, auf deren Pullover "ich" steht, während sie die für das Wort Licht fehlenden Buchstaben L und T links und rechts von sich in die Höhe hält.
Ausstellung auf Wanderschaft
Insgesamt sind die Einsendungen mehr als abwechslungsreich. Zeichnungen, Collagen, Fotokunst und mehr fand über die Post den Weg nach Bremen. Mal sind die Arbeiten poppig-bunt, mal minimalistisch. Mal enthalten sie Textpassagen, mal bleiben die Gestaltungsmittel rein bildlich. Ein Teilnehmer aus Hannover hat sogar extra für die Ausstellung im Lichthof eine Musik komponiert.
Und nach der Präsentation in der Kunstfabrik? "Wir fänden es toll, wenn die Ausstellung auf Wanderung geht", sagt Hennemann. In die Bremer Weserburg zum Beispiel (Hennemann: "Träume darf man doch haben, oder?"), wo es 2012 schon einmal eine Ausstellung zu Mail-Art gab. Irgendwann, wenn die Arbeiten genug gewandert seien, wolle man sie gerne für den guten Zweck versteigern, so die Initiatorin. "Und wer weiß, was uns dann noch so einfällt."