Das Bremer Rathaus bekommt im nächsten Jahr womöglich ein neues, kupferbraunes Dach. Zurzeit berät ein Gremium aus Fachleuten und Denkmalschützern, ob das Dach mit der grünen Patina noch einmal repariert werden kann oder vollständig erneuert werden muss.
Es wäre ein ungewohnter Anblick: das Rathaus mit einem kupferbraunen statt dem leuchtend patina-grünen Dach. Schon 2015 könnte es soweit sein: Externe Baufachleute, Tragwerkplaner und Denkmalschützer überlegen zurzeit, ob das Rathaus ein neues Kupferdach bekommen soll. „Es regnet durch. Damit das Wasser nicht den wertvollen Dachstuhl zerstört, muss etwas passieren“, drängt Landesdenkmalpfleger Georg Skalecki.
Die Dachsanierung wäre eine Variante, mit der das an mehreren Stellen undichte, 90 Jahre alte Dach erneuert werden könnte. „Wir analysieren gerade den Zustand von Dachstuhl und Kupferdach“, berichtet Projektleiter Uwe Lepand. Skalecki: „So wollen wir herausfinden, wie viele Leckagen es gibt.“ Eine Herausforderung, wie Skalecki sagt, denn keiner weiß so richtig, an welchen Stellen es durchregnet, welche Bahnen die Tropfen nehmen, ob und wo sie vom Eichenholz in die gelben und blauen Plastikeimer fallen. Manchmal legt sich die Feuchtigkeit unauffällig zwischen Kupferscharen und Balken aufs Holz.
Jeder Tropfen Wasser eine Gefahr
Beides ist gefährlich für das über 600 Jahre alte Holz des über sechs Ebenen aufgebauten Dachstuhls. „Jeder Tropfen kann Schaden anrichten“, sagt der Landesdenkmalpfleger. Sei das Holz erst einmal feucht, faule es weg. „Das können wir nicht riskieren. Auch wenn es nur wenige und kleine Stellen sind, kann das auf keinen Fall so bleiben“, meint Skalecki. Ein Grund ist, dass der Dachstuhl den stützwerkfreien Oberen Rathaussaal halte. „Für 1612 eine besondere Zimmermannsleistung“, betont Skalecki voller Respekt.
Die Entscheidung, ob Dach-Reparatur oder -Sanierung ist nicht einfach. Auf der einen Seite darf künftig kein Wasser mehr durch die vielfach von Granatsplittern stammenden Löcher sickern, auf der anderen Seite soll der Dachstuhl bei den Arbeiten keinen Schaden nehmen. „Auch wirtschaftliche Aspekte und die Nachhaltigkeit spielen eine Rolle“, sagt die Leiterin der Rathausverwaltung, Kornelia Buhr. Möglich, dass der Denkmalschützer, die Experten von Immobilien Bremen, von der Senatskanzlei, die externen Baufachleute und Tragwerksplaner nur ein Ausbessern der Lecks oder eine Teilerneuerung der Dachfläche empfehlen. „In dem einen Fall würden wir die Schwachstellen, wie es in den vergangenen Jahrhunderten gemacht wurde, mit altem Kupfer abdichten“, sagt Architekt Lepand, „im anderen Fall würde die Dachfläche ein Mix aus neuem, kupferfarbenen und altem, patina-grünen Dach.“
Geht es nach Denkmalpfleger und Kunsthistoriker Skalecki, würde das Rathausdach wiederum geflickt: „Es ist ein denkmalpflegerischer Grundsatz, dass man lieber kleine Reparaturen durchführt und damit die Originalsubstanz so weit wie möglich schont“, erklärt er. Doch beim Bremer Rathaus fragt sich auch Skalecki: „Lohnt sich das? Kann man alle Schadstellen lokalisieren und dauerhaft flicken? Ist das Kupferdach nicht schon zu dünn, um es noch einmal auszubessern?“ Was Bremer und Touristen vom Marktplatz aus nicht sehen: Schon jetzt ist das Dach des Rathauses bestückt mit wenige Zentimeter bis tellergroßen Flicken und rechteckigen Ersatzteilen. Zu sehen sind auch Stellen, an denen künstlich patiniertes Kupfer angebracht ist. Das Grün hat einen unnatürlichen Blaustich.
Schmutzige Luft bringt Patina
Zuletzt erneuert wurde das Rathausdach in den 1920er-Jahren. „Das damalige Kupferdach hat nur 70 Jahre gehalten, weil die Luft extrem aggressiv verschmutzt war und Luftverschmutzung dafür sorgt, dass ein Kupferdach schnell Patina ansetzt“, erklärt Skalecki. In der Umweltzone Bremer City stünden die Chancen gut, dass ein neues Dach bis zu 200 Jahre halten könnte.
Bis zum Ende dieses Jahres wollen die Sachverständigen eine Empfehlung abgeben. Ob sich am Erscheinungsbild des Rathauses etwas ändern wird, entscheiden die Politiker. Georg Skalecki jedenfalls ist froh, dass über die Lecks im Rathausdach diskutiert wird. „Es zeigt: Wir nehmen das Weltkulturerbe sehr ernst.“
Warum wird ein Dach grün?
n Die oberste Schicht von blankem Kupfer verwandelt sich unter der Einwirkung von Luft in Patina. Förderlich ist nach Angaben von Klempnermeister Thomas Kittner ein hoher Gehalt von Oxyden und eine hohe Luftfeuchtigkeit. Abhängig von der Luftverschmutzung entwickle die Patina eines Kupferdaches in Bremen-Horn ein anderes Grün als in Mitte. Wie schnell ein Dach Patina ansetze, entscheide auch die Neigung der Flächen, sagt der Fachmann. Beim Bremer Rathaus könne die Grünfärbung bis zu 20 Jahre dauern, glaubt Kittner.