Noch mal eben zum Supermarkt um die Ecke, dann zur Apotheke und auf dem Rückweg noch ein Geschenk besorgen: Viele Menschen in Bremen schätzen die kurzen Wege. Doch wie gut steht Bremen tatsächlich bei der Nahversorgung da?
Eine Studie des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) hat alle Kommunen in Deutschland unter die Lupe genommen. Dabei prüften die Studienautoren, wie schnell 24 Alltagsziele zu Fuß oder mit dem Fahrrad für die Bewohner erreichbar sind. Zu den Zielen gehören Supermärkte, Hausärzte, Haltestellen, Postfilialen, Läden und Restaurants ebenso wie Kitas, Schulen und Seniorenheime, Parks, Sportstätten, Spielplätze und Kinos.
"Bremen ist eine Acht-Minuten-Stadt mit größeren Gebieten, die sogar die Qualitäten einer Fünf-Minuten-Stadt haben", sagt Studienautor Björn Schwarze im Gespräch mit dem WESER-KURIER. "Mitte, Östliche Vorstadt, Neustadt – das sind Gebiete, die mit zu den besten in ganz Deutschland gehören, da ist man im Bereich der Fünf-Minuten-Stadt", sagt der Raumplaner. Ähnliches gelte auch für Vegesack und den Süden von Blumenthal.
"Aber das ist eben nur in bestimmten zentralen Bereichen der Stadt so", betont der Forscher. Innerhalb Bremens gebe es große Unterschiede: Deutlich schlechtere Werte weise zum Beispiel Rekum auf, mit einer Wegezeit von 25 Minuten. Ein weniger dichtes Netz existiere auch in Oberneuland, im Norden Blumenthals, in Farge und in Seehausen mit seiner fast dörflichen Infrastruktur.
Bremen ist der Studie zufolge insgesamt eine 7,9-Minuten-Stadt, Bremerhaven eine 8,2-Minuten-Stadt. Diese Werte sind Durchschnittswerte: "Vielleicht braucht man zu Fuß bis zur nächsten Hausarztpraxis zwölf Minuten, dafür befindet sich der nächste Supermarkt direkt gegenüber", erläutert Schwarze. Zudem wurden Ziele aus dem Bereich Gesundheit und Lebensmittel als wichtiger eingestuft als Freizeitziele.
Bremen stehe insgesamt gut da, urteilt der Raumplaner. Zwar fällt die durchschnittliche Wegezeit hier ein bisschen länger aus als in manchen anderen Großstädten. Städte mit ähnlichen Einwohnerzahlen erreichten zum Beispiel folgende Zeiten: Hannover 6,4 Minuten, Leipzig und Nürnberg je 6,7 Minuten, Dresden 7 Minuten und Essen 7,3 Minuten.
Dass Bremen im Vergleich etwas längere Wege aufweist, könne damit zusammenhängen, wie stark von den jeweiligen Städten angrenzende Dörfer eingemeindet worden seien, sagt Schwarze. Denkbar sei, dass in Bremen ein größerer Teil der Einwohner in eher ländlich geprägten Randgebieten mit dünnerer Infrastruktur lebe als in anderen Städten. "Aber trotzdem gehört Bremen immer noch zu den Topkommunen."
Der Durchschnittswert für alle Kommunen bundesweit liegt bei 14,6 Minuten Wegezeit, auf dem Land bei 31 Minuten. Insgesamt zeigten die Studienautoren sich von ihren Ergebnissen positiv überrascht: Die 15-Minuten-Stadt sei in Deutschland an vielen kleineren und größeren Orten bereits Realität und insgesamt verbreiteter als angenommen. „Es ist ein weitverbreiteter Irrtum, dass nur Großstädte oder hippe Gründerzeitviertel kurze Wege ermöglichen“, so Brigitte Adam, Projektleiterin der Studie. Kurze Wege könne es auch in Großwohnsiedlungen oder Gartenstädten geben.
Die 15-Minuten-Stadt ist ein stadtplanerisches Konzept, das der französische Stadtforscher Carlos Moreno 2016 entwickelte. Die Grundidee ist, dass es in allen Stadtteilen kurze Wege zu wichtigen Alltagsorten geben sollte. Bekannt wurde das Konzept auch, weil die Pariser Bürgermeisterin die Idee als Ziel der Stadtentwicklung ausrief und zügig vorantrieb. Später beriefen sich viele europäische Städte auf das Konzept, zum Beispiel Wien oder Barcelona. Teils setzen sich Städte dabei auch zehn Minuten als Ziel. In Bremen gab die SPD-Fraktion 2021 die Zehn-Minuten-Stadt als Leitbild der Stadtplanung aus. Ziel sei es, dass alle Bremerinnen und Bremer alle Alltagswege fußläufig in weniger als zehn Minuten bestreiten können, hieß es damals.
Bei einem sogenannten Indexwert, den die Forscher für alle Kommunen ermittelten, erreichte Bremen 76 von 100 Punkten. In diesen Wert fließe auch ein, wie viel Wahlfreiheit Einwohner zwischen verschiedenen nahen Angeboten haben. „Da schneidet Bremen im Vergleich zu vielen anderen Kommunen besser ab“, so Schwarze. Beim Indexwert gehöre die Hansestadt zu den 100 besten Kommunen bundesweit. Bremerhaven liege mit seinen Zeiten im Mittelfeld und zeige typische Werte für eine kleinere Großstadt.