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Bremer Landesparteitag Linke wollen Schuldenbremse überwinden

Die Bremer Linke bekräftigt ihre Ablehnung der Schuldenbremse und fordert einen Stopp des Verkaufs städtischer Grundstücke im Hulsberg-Quartier. Mit entsprechenden Beschlüssen ging der Parteitag zu Ende.
10.11.2019, 15:16 Uhr
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Linke wollen Schuldenbremse überwinden
Von Jürgen Theiner

„Der Ausstieg aus der Schuldenbremse ist überfällig“: So sehen es die Bremer Linken. Am zweiten Tag ihres Landesparteitags in Oslebshausen forderte die Basis am Sonntag eine Abkehr von dem finanzpolitischen Grundsatz, dass Bremen seine Haushalte künftig ohne neue Kredite aufstellen soll. Er ist in der Landesverfassung festgeschrieben.

Bei nur einer Gegenstimme wurde die rot-grün-rote Regierungskoalition aufgefordert, zumindest „alternative Finanzierungsmöglichkeiten“ für öffentliche Investitionen zu prüfen, so lange das Neuverschuldungsverbot besteht. Für die Linken ist es beispielsweise eine Option, dass Unternehmensbeteiligungen von Stadt und Land Investitionen in Infrastrukturprojekte wie den Bau von Schulen übernehmen. Der Bremer Landeshaushalt würde dadurch vorerst nicht direkt belastet.

In der Diskussion wies der neue Landesvorsitzende Christoph Spehr darauf hin, dass inzwischen sogar arbeitgebernahe Wirtschaftsforscher in der Schuldenbremse ein Hemmnis für Zukunftsinvestitionen sähen. Angesichts von Null- oder sogar Negativzinsen für Kredite der öffentlichen Hand und gleichzeitigem Investitionsstau bei der Infrastruktur sei nicht einzusehen, warum die Handlungsfähigkeit des Staates durch die Schuldenbremse stark eingeschränkt werde. Spehr sagte, die Linken müssten die Koalitionspartner SPD und Grüne in dieser Frage „in die Debatte fordern“. Auch die Bürgerschaftsabgeordnete Sofia Leonidakis unterstützte den Antrag auf Abkehr von der Schuldenbremse. Dies könne aber nur ein erster Schritt sein. Mittelfristig müsse es auch „um die Frage der Umverteilung des gesellschaftlichen Vermögens“ gehen.

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Ebenfalls bei nur einer Gegenstimme forderte der Parteitag, städtische Grundstücke im Hulsberg-Quartier für Wohnbauzwecke nicht mehr zu verkaufen, sondern im Erbbaurecht an Interessenten zu vergeben. Hintergrund: Auf dem Gelände des Klinikums Mitte werden durch den Umzug der weit verstreuten medizinischen Einheiten in den Neubau an der Bismarckstraße in den nächsten Jahren rund 14 Hektar frei, auf denen circa 1100 Wohnungen entstehen sollen. Seit die ersten Teilflächen im Verkauf sind, hat sich allerdings ein rasanter Preisanstieg vollzogen. In der Spitze kosten die Grundstücke bereits bis zu 1700 Euro pro Quadratmeter. Diese „irrsinnige Entwicklung der Grundstückspreise“ zwingt aus Sicht von Christoph Spehr zum Umdenken. Die Stadt beziehungsweise die stadteigene Klinikgesellschaft Gesundheit Nord, denen die Flächen gehören, sollten die Grundstücke nicht mehr verkaufen, sondern stattdessen an Bauwillige im Erbbaurecht vergeben. Statt sofortiger hoher Verkaufserlöse würden der Stadt dadurch langfristig Erbbauzinsen zufließen. Spehr räumte ein, dass die entsprechenden kurzfristigen Einnahmeausfälle, die sich durch einen Stopp der Verkäufe ergeben würden, in irgendeiner Weise aufgefangen werden müssen. Die alte rot-grüne Landesregierung hatte geplant, mit den Verkäufen einen Teil der Kosten für den Neubau des Klinikums Mitte zu decken.

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Der Parteitag beschloss außerdem, bis auf Weiteres an der linken Regierungsbeteiligung festzuhalten. Ein Antrag auf Ausstieg aus dem rot-grün-roten Regierungsbündnis blieb ohne Chance. Nur sieben Delegierte votierten dafür, 45 waren dagegen, es gab vier Enthaltungen. Mit einem solchen Ergebnis war zuvor auch allgemein gerechnet worden, liegt der Sonderparteitag der Linken, auf dem der Eintritt in die Landesregierung gebilligt wurde, doch erst wenige Monate zurück. Antragsteller Oliver-Jan Kornau hatte seinerzeit zu der Minderheit in der Partei gehört, die eine Regierungsbeteiligung unter den gegenwärtigen Bedingungen ablehnt. Kornau begründete seinen neuerlichen Vorstoß damit, dass die Linke über keine Gesamtstrategie verfüge, wie die wenigen im Bremer Landeshaushalt zur Verfügung stehenden Mittel so eingesetzt werden können, dass sie die Lebensrealität abgehängter Bevölkerungsgruppen verbessern. „Wir haben zwar durchaus gute Ideen, aber eben nicht Geld ohne Ende“, begründete Kornau seine Skepsis gegenüber der Regierungsbeteiligung.

Die übergroße Mehrheit des Parteitags wollte sich dieser Position allerdings nicht anschließen. Für sie war es deutlich zu früh, sich über den Verbleib in der Koalition oder ihre Aufkündigung Gedanken zu machen. Im Gespräch mit dem WESER-KURIER sagte Sofia Leonidakis am Rande des Parteitags, dass in den ersten Monaten des rot-grün-roten Bündnisses noch gar nicht genug passiert sei, um eine seriöse Zwischenbilanz ziehen zu können. „Es dauert eine Weile, bis so ein Schiff in Fahrt kommt“, so die Bürgerschaftsfraktionschefin. Klar sei allerdings auch, dass die Linken früher oder später gegenüber sich selbst Rechenschaft ablegen müssten, was man in der Regierung erreicht habe und was nicht. Einstweilen gelte aber das Votum des Sonderparteitags von Anfang Juli, bei dem die Bremer Basis grünes Licht für den ersten Eintritt der Linken in eine westdeutsche Landesregierung gegeben hatte. 42 von 65 Delegierten hatten seinerzeit den Koalitionsvertrag mit Sozialdemokraten und Grünen gebilligt. Die Linke zeichnet seit der Wahl des neuen Senats Mitte August für die Ressorts Wirtschaft und Gesundheit/Frauen verantwortlich.

++ Dieser Artikel wurde um 20.35 Uhr aktualisiert ++

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