Finanzsenatorin Karoline Linnert verknüpft ihr politisches Schicksal mit Frage, ob sie sich bei der bevorstehenden Urwahl der Grünen-Spitzenkandidatin für die Bürgerschaftswahl 2019 durchsetzt. Bei einer parteiinternen Diskussionsveranstaltung mit ihrer Kontrahentin Maike Schaefer sorgte Linnert am Mittwochabend für klare Verhältnisse. Sollte Maike Schaefer das Rennen machen, „werde ich auf der Landesliste der Grünen nicht antreten“, erklärte die 59-Jährige, die seit 2003 bei allen Landtagswahlen durchgängig Spitzenkandidatin ihrer Partei war.
Der Landesverband der Grünen hatte zu der Runde mit den beiden Anwärterinnen auf die Listenführerschaft eingeladen. Die Basis sollte die Gelegenheit erhalten, Linnert und Schaefer mit Fragen zu konfrontieren und ihre Eignung für den Top-Job im Wahlkampf einzuschätzen. Wie berichtet, hatte der Landesvorstand der Grünen im Mai ein weibliches Dreier-Team für die ersten Listenplätze der Grünen-Liste vorgeschlagen, bestehend aus Schaefer, Linnert und Sozialsenatorin Anja Stahmann. Platz eins hatte der Vorstand der Finanzsenatorin zugedacht. Doch mit diesem Modell erlitt die Parteiführung auf einer Mitgliederversammlung im Juni Schiffbruch. Mit deutlicher Mehrheit kassierte die Basis die Vorfestlegung auf Linnert als Spitzenkandidatin. Stattdessen sollen nun die rund 720 Parteimitglieder in Bremen und Bremerhaven brieflich bis Mitte September ein Votum abgeben. Zur Wahl stehen Linnert und Bürgerschaftsfraktionschefin Maike Schaefer.
Rund 100 Mitglieder kamen am Mittwochabend zum Kandidatinnen-Schaulaufen in die frühere Beluga-Zentrale auf dem Teerhof. Zu Beginn der Veranstaltung, die bei Redaktionsschluss noch andauerte, kündigte Parteivorsitzende Alexandra Werwath einen „lustvollen politischen Abend“ an. Lust kam allerdings so recht nicht auf, zumindest keine Streitlust, denn Maike Schaefer und Karoline Linnert gingen recht pfleglich miteinander um. Schaefer versagte der langjährigen Frontfrau nicht den Respekt für ihre Verdienste, und Linnert widerstand der Versuchung, die deutlich jüngere und unerfahrenere Mitbewerberin von oben herab zu behandeln.
Wenig Nuancen
Auch in den Sachthemen ließen sich wenig Nuancen, geschweige den grundsätzliche Differenzen feststellen. „Was ist das nächste Kapitel Grün?“, fragte Moderator Henning Bleyl (Heinrich-Böll-Stiftung). Karoline Linnert lag daran, dem Publikum klar zu machen, dass Bremens verbesserte finanzielle Perspektiven überhaupt erst die Möglichkeit eröffnen, ein solches Kapitel aufzuschlagen. Gemeint war die Neuordnung des Bund-Länder-Finanzausgleichs, die ab 2020 zusätzliche Spielräume im Landeshaushalt schafft. „Dieses neue Geld darf allerdings nicht in alten Strukturen landen“, sagte die Finanzsenatorin. Wichtige Stichworte seien für sie Bildung, der Ausbau der Kitas, Klimaschutz und ein attraktiver öffentlicher Personennahverkehr.
Bei Maike Schaefer klang das ganz ähnlich. Auch sie nannte Bildung ganz obenan, „wobei wir nicht nur mehr Geld in das System stecken müssen, sondern auch die Qualitätsfrage stellen müssen“. Es gelte, erfolgreiche pädagogische Konzepte wie an der Gesamtschule Ost mehr in die Fläche wirken zu lassen. Als persönliche politische Ziele gab Schaefer zudem die Bekämpfung der sozialen Spaltung der Stadt und die Schaffung von mehr bezahlbarem Wohnraum aus.
Beide potenziellen Spitzenkandidatinnen äußerten auch kritische Gedanken zur kulturellen Enge des grünen Milieus. Die Partei sei in der Vergangenheit gelegentlich „arrogant und besserwisserisch“ aufgetreten, insbesondere gegenüber „AfD-anfälligen Menschen, die den Eindruck haben, dass wir uns nicht um sie, sondern nur um Randgruppen kümmern“, so Linnert. Noch deutlicher wurde Maike Schaefer. Die Grünen hätten sich zu sehr eine „Heile-Welt-Multikulti-Attitüde“ zu eigen gemacht und sich nicht getraut auszusprechen, dass etwa Migranten die gesellschaftlichen Werte der Bundesrepublik achten müssten.