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Debatte um sogenanntes Arisierungs-Denkmal Mahnmal soll an der Schlachte entstehen

Lange wurde gestritten, nun macht die Kulturbehörde einen Kompromissvorschlag: Das Mahnmal für die enteigneten Juden soll an der Schlachte errichtet werden. Nicht alle sind damit einverstanden.
09.03.2017, 12:21 Uhr
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Mahnmal soll an der Schlachte entstehen
Von Kathrin Aldenhoff

Lange wurde gestritten, nun macht die Kulturbehörde einen Kompromissvorschlag: Das Mahnmal für die enteigneten Juden soll an der Schlachte errichtet werden. Nicht alle sind damit einverstanden.

Das viel diskutierte sogenannte Arisierungs-Denkmal soll an der Schlachte entstehen. Die Kulturbehörde schlug am Donnerstag vor, es hinter der Bürgermeister-Smidt-Brücke auf Höhe der Jugendherberge zu errichten. Das Mahnmal soll daran erinnern, dass das Eigentum jüdischer Familien in der NS-Zeit systematisch geraubt wurde.

Erarbeitet wurde der Standort gemeinsam mit dem Bremer Staatsarchiv. Am Dienstag wird die Kulturdeputation über den Vorschlag der Behörde beraten. Und auch der Beirat Mitte wird mitbestimmen, ob das Mahnmal dort gebaut wird.

Mahnmal soll sich an die Allgemeinheit wenden

„Das Mahnmal soll nicht ein einzelnes Unternehmen anklagen, sondern sich an die Allgemeinheit wenden“, sagte Kulturstaatsrätin Carmen Emigholz am Donnerstag. Denn auch der Staat und Privatpersonen hätten von den Enteignungen profitiert.

Die Behörde hatte den Leiter des Bremer Staatsarchivs, Konrad Elmshäuser, mit der Auswahl eines aus historischer Sicht geeigneten Standortes beauftragt. Einer dieser Standorte, die Elmshäuser für historisch geeignet hält, ist der an der Schlachte. An deren Ufer hatten in den 1930er-Jahren zahlreiche Bremer Logistikunternehmen ihren Sitz.

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Begleitend zum Mahnmal soll ein Projekt ins Leben gerufen werden, das die Rolle der Stadt Bremens, die Verantwortung ihrer Unternehmen, Institutionen und Bürger bei der Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz der vertriebenen und ermordeten Juden aufarbeitet.

Daran werden sich neben dem Senator für Kultur auch die Handelskammer Bremen, die Unternehmensverbände im Land Bremen, die Familienunternehmer und der Verein der Bremer Spediteure beteiligen – unter ihnen auch Kühne + Nagel. Die Beteiligten einschließlich der Spedition werden außerdem das Mahnmal am vorgeschlagenen Standort mitfinanzieren.

Standort an der Jugendherberge

Für Staatsrätin Carmen Emigholz hat der Standort an der Jugendherberge außerdem den Reiz, dass das Mahnmal eine junge Generation anspricht – und zwar ohne bis an das Schulzentrum Grenzstraße in Walle abzurücken. Das war einer der Vorschläge, der in den vergangenen Wochen diskutiert wurde.

Diesen Ort lehnte die Initiative, die bei der Bremer Taz um Henning Bleyl entstanden war, als alleinigen Standort ab. Das Denkmal gehört nach Meinung der Initiative und auch nach Ansicht von Politikern der Grünen und der Linken in die Stadtmitte.

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Die Initiative wollte ursprünglich vier Quadratmeter vor dem Stammsitz von Kühne + Nagel kaufen und dort das Denkmal errichten. Das Unternehmen wehrte sich. Im November hatte die Bürgerschaft entschieden, dass es in Bremen ein Denkmal zur Erinnerung an die im Zweiten Weltkrieg beraubten und ermordeten Juden geben soll. Die Abgeordneten hatten den Senat damals aufgefordert, „insbesondere auch einen Standort im Umfeld des Neubaus der Firma Kühne + Nagel einzubeziehen“.

Vorschlag der Kulturbehörde ist ein „Fortschritt“

Henning Bleyl empfindet den aktuellen Vorschlag der Kulturbehörde als „Fortschritt“ im Vergleich zum Standort in Walle. „Das ist immerhin ein sichtbarer Ort“, sagte er. Aber er vermeide immer noch den historischen Ort, an dem während der NS-Zeit die meisten Profite mit der Enteignung von Juden verbucht worden seien: beim Unternehmen Kühne + Nagel.

„Da geht es um eine andere Dimension von Profiten als bei anderen Bremer Speditionen“, so Bleyl. Er findet: Das Mahnmal muss noch weiter weseraufwärts rutschen. Er sei allerdings nicht derjenige, der darüber entscheide.

Der SPD-Politiker Arno Gottschalk hält den Standort bei der Jugendherberge indes für sehr geeignet. „Uns geht es darum, gegen das Vergessen anzukämpfen – auch in diesem Sinne ist die belebte Schlachte und die örtliche Verbindung zur Jugendherberge eine sehr gute Wahl“, sagte er. Er hält den Platz für besser geeignet als einen am Sitz von Kühne + Nagel.

Nicht nur ein Unternehmen hat profitiert

Denn es habe keinesfalls nur ein Unternehmen von der unmenschlichen Politik der Nationalsozialisten profitiert. Nur ein Unternehmen in den Fokus zu stellen, wenn es auch in besonderem Ausmaß beteiligt war, würde der geschichtlichen Aufarbeitung nicht gerecht.

Auch der kulturpolitische Sprecher der CDU, Claas Rohmeyer, begrüßt den Vorschlag der Kulturbehörde. Die Schlachte sei ein zentraler Standort, und das sei wichtig, damit das Mahnmal von vielen Menschen wahrgenommen werde. Die CDU werde dem Vorschlag in der Deputation am Dienstag zustimmen, sagte er.

Umgesetzt werden soll der Entwurf, der im vergangenen Jahr den Ideenwettbewerb der Initiative gewonnen hat. Er stammt von der Bremer Architektin Angie Oettingshausen: ein würfelförmiger Raum, einzusehen von oben und von der Seite. Durch Glasplatten ist eine früher mal bewohnte Wohnung zu sehen. Schattierungen an den Wänden zeigen, wo einst Möbel standen, Bilder hingen.

Ein Verweis auf den Raub an jüdischen Familien. Und auf die Leerstellen in der historischen Aufarbeitung. Nach den Osterferien sollen sich nach dem Wunsch der Kulturstaatsrätin die Beteiligten zum ersten Mal treffen, um die Kernfragen für das Begleitprojekt zu erarbeiten. Wenn Deputation und Beirat zustimmten, könne das Denkmal umgehend gebaut werden, sagte Emigholz.

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