Hunde und Halter, heißt es, ähneln sich. Sniper und Christian-Lorenz Koch belegen das. Sie sind ein Paar, das mehr verbindet als die Leine zwischen ihnen. Sniper, ein ostdeutscher Schäferhund, hat pechschwarzes Fell. Koch, sein Herrchen, trägt Stiefel, Schottenrock und T-Shirt im selben Ton. Beide haben Blumen aus Plastik angesteckt. Und weil sein Hund, obwohl er gar kein Beißer ist, an diesem Sonnabend einen Maulkorb tragen muss, hat auch sein Herrchen sich einen übergestülpt. Keinen echten, aber richtig sprechen, kann er auch mit dem falschen nicht. Koch macht das aus Protest gegen die Rassenliste, mit der Bremen sogenannte Kampfhunde verbietet: „Völliger Blödsinn!“ Er ist der einzige Mensch mit Maulkorb, aber nicht der einzige, der so denkt. Koch demonstriert am Nachmittag mit 250 Hundehaltern in der Innenstadt.
Und fast alle haben ihr Tier mitgebracht. Tina Maibach, die das Treffen zum zweiten Mal organisiert hat, wird später sagen, dass 60 Hunde auf dem Markplatz waren. Die Vierbeiner – viele Mischlinge, wenige von der Sorte, die in Bremen zu den verbotenen zählen – hört man kaum. Fast kein Bellen, fast kein Knurren. Dafür sehen alle gefährlich aus. Denn alle Hunde, die an der Kundgebung, später an der Demo durch die City teilnehmen, tragen einen Maulkorb. So hat es das Stadtamt angeordnet. Und damit sich die Tiere nicht doch unversehens ins Gehege kommen, hat Maibach gelbe Bänder verteilt. „An Halter, deren Hunde mit anderen Hunden nicht so gut können.“
Shari braucht das nicht. Sie kann mit jedem. Vorzugsweise mit Kasper Heinemann, zwischen dessen Beinen sie liegt und sich den Bauch kraulen lässt. Shari, 4, ein Mischling, ist tiefenentspannt, Herrchen Heinemann ist es nicht. Er sagt, dass die Rassenliste der Innenbehörde nicht haltbar ist. Dass es Studien gibt, die das belegen. Und dass ein Sachkundenachweis viel besser ist, als ein Papier, das bestimmte Hunde verbietet. „Nicht die Abstammung“, sagt Heinemann, „macht einen Hund gefährlich, sondern meistens der Mensch, wenn er ihn falsch oder gar nicht erzieht.“ Es ist ein Satz, den man an diesem Nachmittag auf dem Marktplatz oft hört.

Sven Ristanovic und Joker sind aus Niedersachsen angereist.
Auch Wolfgang Apel hat ihn schon häufig ähnlich gesagt. Der Ehrenpräsident des Tierschutzbundes ist bei der Demo zwar nicht dabei, aber sein Verein ist es: der Bremer Tierschutzverein. Erst im vergangenen Jahr hat Apel einmal mehr einen Versuch unternommen, Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) umzustimmen. Der sollte endlich abrücken von der Rassenliste und stattdessen einen Sachkundenachweis für jeden Hundehalter zur Pflicht machen, eine Art Führerschein für Frauchen und Herrchen, wie es ihn seit 2013 in Niedersachsen gibt. Doch Mäurer hat abgelehnt und darauf verwiesen, worauf er schon oft verwiesen hat: dass die Verbotsliste vom Parlament beschlossen ist und er, Mäurer, sich nicht darüber hinwegsetzen kann.

Tina Maibach hat die Demo organisiert. Sie selbst hat keinen Hund.
Dabei hatte Apel geglaubt, diesmal wirklich gute Argumente zu haben: Zahlen nämlich, die rückläufig waren. Das Stadtamt hatte ermittelt, wie oft Tiere und Menschen von Hunden attackiert worden sind. Und zum ersten Mal ließen sich die Zahlen mit denen aus dem Vorjahr vergleichen. Nach der sogenannten Hundebeißstatistik des Amtes waren 2013 insgesamt 94 Angriffe von Hunden gemeldet worden und 2014 nicht mal 60. Vorfälle mit Hunden der vier verbotenen Rassen American-Staffordshire-Terrier, Bullterrier, Pitbull-Terrier und Staffordshire-Bullterrier tauchten in den Tabellen des Amtes in keinem der beiden Jahre auf. Für die Behörde ist das jedoch kein Anlass, die Rassenliste aufzugeben, sondern ein Beleg dafür, dass sie tatsächlich etwas bringt: keine Beißer in Bremen, keine Verletzten.
Dass Verbot geht sogar so weit, dass sich Halter mit solchen Hunde nur 24 Stunden in der Stadt aufhalten dürfen. Es ist Tina Maibach, die das erzählt. Die Initiatorin der Demo, die sich Soka Run nennt – Soka steht für sogenannte Kampfhunde – , könnte darüber lachen, wenn die Sache nicht so ernst wäre. Ein Witz ist für sie die Regelung dennoch. Wer, fragt sie, prüft denn, ob sich jemand nicht doch länger mit seinem Bullterrier in Bremen aufhält? Und wie soll sich ein Halter eines Pitbulls im Stadtamt anmelden, wenn er an einem Sonntag anreist oder so spät in die Stadt kommt, dass die Behörde schon geschlossen hat?
Maibach mag die sogenannten Kampfhunde. Sie hat jahrelang mit ihnen zu tun gehabt, als sie noch ehrenamtlich fürs Berliner Tierheim im Einsatz war. Maibach sagt, dass Staffordshire-Bullterrier tolle Familienhunde sind. Die Organisatorin hat keinen Staffordshire-Bullterrier, sie hat überhaupt keinen Hund. Ihre Tierliebe ist so groß, dass sie auf einen Vierbeiner verzichtet, weil sie nicht die Zeit hat, die notwendig wäre, sich richtig um ihn zu kümmern. Sven und Tanny Ristanovic haben sie. Beide sitzen auf den Stufen zum Haus der Bürgerschaft, und Joker sitzt zwischen ihnen. Der Pitbull trägt seinen Maulkorb mit Fassung. Dort, wo er zu Hause ist, braucht er für gewöhnlich keinen. Ristanovics kommen aus Niedersachsen und sind extra zur Demo nach Bremen gereist. Sven Ristanovic: „Schützenhilfe ist alles.“