Die Bremische Bürgerschaft hat am Mittwoch eine Weiterentwicklung des Bremischen Behindertengleichstellungsgesetzes beschlossen. „Die Stellung behinderter Menschen in Bremen wird sich weiter verbessern“, erklärte Sozialsenatorin Anja Stahmann (Grüne) im Parlament. Mit der Überarbeitung sollen sowohl Benachteiligungsverbote verschärft als auch die Barrierefreiheit in öffentlichen Gebäuden weiter vorangetrieben werden.
Senatorin Stahmann erklärte in der Bürgerschaftsdebatte, dass die Träger öffentlicher Gewalt künftig grundsätzlich verpflichtet seien, „bei der Planung und Durchführung ihrer Maßnahmen die Lebenslagen von Menschen mit Behinderungen in den Blick zu nehmen.“ Mit dem neuen Gesetz passt sich das Land Bremen an die entsprechenden Richtlinien der UN-Behindertenrechtskonvention, die im März 2009 auf Bundesebene in Kraft getreten sind, sowie die EU-Richtlinien für den barrierefreien Zugang von Internetseiten und mobilen Anwendungen an.
Das sei zwar eine wichtige Weiterentwicklung, erklärt der Landesbehindertenbeauftragte Joachim Steinbrück. „Aber Bremen läuft nur hinterher und gibt keine Impulse.“ Der Beschlussfassung des Gesetzes in der Bürgerschaft waren mehrere Entwürfe vorausgegangen: Der dritte und letzte Entwurf hatte in der Sozialdeputation zuletzt für lebhafte Diskussionen gesorgt, da vor allem die Behindertenverbände darin deutliche Rückschritte gegenüber dem zweiten Entwurf gesehen hatten.
Dennoch seien zahlreiche Punkte des neuen Gesetzes sehr wichtig, betonte Steinbrück: Bis zum 1. Januar 2023 sollen beispielsweise Berichte über die Barrierefreiheit in allen öffentlichen Gebäuden vorliegen, um damit einen verbindlichen und überprüfbaren Plan für Umbaumaßnahmen zu entwerfen. Ob und wann nach dieser Überprüfung allerdings die alten Gebäude tatsächlich ausgebessert werden, so Steinbrück, sei nicht festgeschrieben.
Auch der Geltungsbereich des Bremischen Behindertengleichstellungsgesetzes wird mit der beschlossenen Weiterentwicklung erweitert: Künftig müssen von Bremen beherrschte Gesellschaften des privaten Rechts, zu denen unter anderem auch der Klinikverbund Geno oder die Wirtschaftsförderung Bremen gehören, die festgeschriebenen Vorgaben beachten.
Deutliche Fortschritte sieht Steinbrück in Sachen Benachteiligungsverbote: Mit der nun weiterentwickelten Gesetzgebung wird der Begriff Benachteiligung neu definiert, sodass schon die Vorenthaltung angemessener Vorkehrungen darunter fällt. Inwiefern damit das Gesetz deutlich verschärft wird, erklärt Steinbrück an einem Beispiel: Kommt eine Studentin im Rollstuhl wegen einer fehlenden Rampe nicht in einen Hörsaal, ist das eben die beschriebene Vorenthaltung einer Vorkehrung, damit sie problemlos ihrem Studium nachgehen kann.
Die entsprechenden Einrichtungen sind deshalb verpflichtet, solche Vorkehrungen umzusetzen. „Das bringt neue Qualität“, so Steinbrück. Auch barrierefreie und damit für beispielsweise Sehbehinderte verbesserte Internetseiten sollen künftig mit der Einrichtung einer Fachstelle für mobile Anwendungen konsequenter durchgesetzt werden.
Zudem wird es künftig eine Schlichtungsstelle beim Landesbehindertenbeauftragten geben, bei der Streitigkeiten über Benachteiligungen oder mangelnder Barrierefreiheit außergerichtlich beigelegt werden können. Zuletzt gehört die sogenannte leichte Sprache zu einer zentralen Errungenschaft des Gesetzes: Für Menschen mit geistigen und seelischen Behinderungen besteht künftig ein Rechtsanspruch auf einen Behördenausstausch in sogenannter leichter und damit verständlicherer Sprache.