Auf und ab bewegen sich die Füße auf den Holzbrettern. Immer schön gleichmäßig den Takt halten, darauf kommt es an. „Treten, treten. Wie im Schlaf muss das funktionieren“, erklärt Ilka Dilba. Die Runde im Küsterhaus folgt ihren Anweisungen. Mit ihren Füßen setzen sie Spinnräder in Bewegung.
Während sich Schwungräder und Spindeln drehen, wird über Schafe und Wolle geplaudert. „Wolle, das ist eine Wissenschaft für sich“, meint Dilba. Am liebsten spinne sie die Wolle vom Rauhwolligen Pommerschen Landschaf. „Die lässt sich wegen ihrer langstapeligen Fasern gut ausspinnen. Deshalb ist sie auch für Anfänger gut geeignet.“
Genau das richtige für die kleine Gruppe, die sich im Küsterhaus eingefunden hat. Drei Frauen und ein Mädchen wollen das Spinnen lernen. Ilka Dilba und Kirsten Dost vom Spinnkreis des Heimatvereins Schwanewede führen sie in die alte Handwerkskunst ein. Bevor sie die Wolle vom Pommerschen Landschaf in die Finger bekommen, stehen für die Teilnehmerinnen aber erstmal Tretübungen am Spinnrad an. Kirsten Dost erklärt, worauf zu achten ist: „Gleichmäßig und nicht zu schnell treten. Aber auch nicht zu langsam, sonst schlägt das Rad zurück. Dann läuft es in die andere Richtung.“
Ein gutes Dutzend Spinnräder haben die Teilnehmer zur Auswahl: Geräte aus Deutschland, Holland und Neuseeland. Der Spinnkreis stellt sie zu Verfügung, einige hat Ilka Dilba aus ihrem Bestand mitgebracht. Die Teilnehmer können alle ausprobieren. „Jedes Spinnrad spinnt anders“, weiß Dilba, die acht Geräte ihr eigen nennt. Nummer neun ist gerade bei einem Gerätebauer in Ostdeutschland in Arbeit, erzählt sie.
Veronika Daniels hat sich für ein Rad mit großer Schwungscheibe entschieden. Die Blumenthalerin arbeitet als Hundefriseurin. „Da fällt immer viel Hundewolle an, die möchte ich gerne mal spinnen“ erzählt sie. Neben ihr tritt Meike Schwier aus Bremen am alten Spinnrad ihrer Großmutter, das sie für den Kurs mitgebracht hat. Die Oma habe ihr auch tonnenweise Wolle hinterlassen. „Außerdem haben wir zu Hause Rohwolle im Stall stehen: Heidschnucken, Bentheimer Schafe und und Coburger Füchse“, fügt sie mit einem Schmunzeln hinzu. Im Kurs will sie nun lernen, wie sie die Wolle verspinnen kann.
Nach einer guten Stunde wird es ernst. „Jetzt geht es los, meine Damen“, kündigt Ilka Dilba den Beginn der Spinnlektion an. Aus dicken Ballen hell- und dunkelgrauer Rohwolle vom Pommerschen Landschaf zupft die Kursleiterin kleine Büschel und drückt sie den Teilnehmerinnen in die Hand. Auf die Spindel der Spinnräder wird ein Hilfsfaden geknotet, durch Haken und eine Öse geführt und mit der Rohwolle verzwirnt. Dann heißt es treten, so wie es die Runde gerade gelernt hat. Dilba geht reihum und zeigt jeder, wie sie die Wolle nachgeben muss: Mit der linken Hand die Wolle halten, mit der rechten Stränge herausziehen. Wenn sie sich zum Wollfaden aufdrehen, loslassen und neue Wolle nachziehen. „Festhalten, rausziehen, loslassen“, schärft Dilba den Teilnehmerinnen ein.
Bei Veronika Daniels will es nicht auf Anhieb klappen. „Mir reißt ständig der Faden.“ Dilba erkennt sofort, woran es liegt. „Mehr treten und nicht zu viel Wolle rausziehen. Du musst spüren, wann du Wolle nachgeben kannst“ erklärt die Kursleiterin und macht es der Teilnehmerin vor. „Bei dir sieht das so einfach aus“, meint die und versucht es noch einmal. Meike Schwier plagt sich derweil mit einem anderen Problem. Ihr Spinnrad zieht den Faden nicht ein. Kann es auch nicht, sieht Dilba auf einen Blick. Wollfasern haben sich in der Häkchen-Reihe verheddert. „Die Haken der alten Spinnräder sind oft sehr eng, da kann das leicht mal passieren.“
Wie am Schnürchen läuft es dagegen bei Linca, mit elf Jahren die Jüngste in der Runde. Am eigenen Spinnrad lässt sie den Faden ganz entspannt laufen. Die Schülerin hat schon Übung. „Ich hatte mir das Spinnrad vor einem Jahr zum Geburtstag gewünscht“, erzählt sie. Durch Märchenfilme sei sie auf die Idee gekommen, das alte Handwerk auszuprobieren. „Ich fand das immer toll, wenn da jemand am Spinnrad saß und Wolle sponn.“ Im Kurs des Heimatvereins hofft sie nun, noch mehr zu lernen.
Früh übt sich - das weiß auch Ilka Dilba. Mit 15 Jahren sponn die Schwanewederin ihre erste Wolle. Richtig durch startete sie nach der Familienpause. Aus den ersten selbst gesponnenen Garnen strickte sie Strümpfe, die sie verkaufte. „Von dem Sockengeld erwarb ich mein erstes Spinnrad – ein Kiwi aus Neuseeland“. Mit dem Gerät arbeitet sie auch an diesem Nachmittag. Inzwischen fertigt Dilba an Kleidung, was die Wolle hergibt.
Ein Kleidungsstück von der Schafschur bis zur letzten Strickmasche selbst herzustellen, das ist der Traum von Carola Murken aus Pennigbüttel. Deshalb will sie im Küsterhaus an diesem Nachmittag das Spinnen erlernen. Das Ziel für den Anfang hat sie erreicht. „Wenn die Teilnehmer in der ersten Stunde einen gleichmäßigen zusammenhängenden Faden spinnen, bin ich zufrieden“, meint Kursleiterin Ilka Dilba.