Es sieht schlecht aus für die Amsel. Sie ist die große Verliererin bei der Vogelzählung „Stunde der Wintervögel“ am ersten Januar-Wochenende. Der Naturschutzbund (Nabu) hat eine Zwischenbilanz der Zählung veröffentlicht, demnach lagen die Amsel-Rückgänge in Gärten und Parks bundesweit bei durchschnittlich 13 Prozent gegenüber dem Vorjahr. In Bremen wurden minus 31 Prozent gemeldet, noch schlimmer erwischte es Hamburgs Amseln: 38 Prozent weniger. Die Zahlen könnten sogar noch geringer sein, weil auch im Winter zugeflogene Amseln gemeldet werden.
Schuld am Amsel-Desaster sei der Usutu-Virus, sagt Florian Scheiba vom Bremer Nabu. Wo der Virus 2018 erstmals ausbrach, und dazu zählten norddeutsche Regionen, seien besonders viele Amseln gestorben. Die Epidemie wütet schon seit Längerem in Deutschland.
Auch der Dürre-Sommer habe den Amseln und ihrer Brut zugesetzt, erläutert Scheiba auf Nachfrage. „Aber unter der Trockenheit mussten alle Vögel leiden.“ Es sei in erster Linie die Usutu-Epidemie, die den Negativtrend bewirkt habe. Sorgen um den Amselbestand macht er sich jedoch nicht. „Die Vögel haben eine hohe Reproduktionsrate, können bis zu dreimal jährlich brüten.“ Die Population werde sich in einigen Jahren erholt haben.
Diesmal hatten über 800 freiwillige Vogelkundler in gut 550 Bremer Gärten besonders viele Kohlmeisen gesichtet – das sind 33 Prozent mehr als im Vorjahr, meldet der Nabu. Damit flattert der kleine Vogel in Bremen auf den ersten Platz, er tauchte mit 4,64 Exemplaren pro Garten auf, ihm folgen die Blaumeise und dann der Haussperling (Spatz). In Niedersachsen dagegen wie auch bundesweit landet der Spatz an der Spitze, gefolgt von Kohl- und Blaumeise.
Nicht vergleichbar mit einer wissenschaftlichen Kartierung
Aus der Reihe tanzt das Land Bremen auch bei der Taubenzählung. Die Ringeltaube erobert hier nach vorläufigen Zahlen des Nabu den vierten Platz (plus 86 Prozent) auf der Liste der häufigsten Wintervögel. Im Bundesdurchschnitt ist es der elfte Platz, in Niedersachsen der siebte. Matthias Freter vom niedersächsischen Nabu sagt dazu, der milde Winter habe viele der teilweise ziehenden Tauben zum Hierblieben veranlasst. Deshalb seien auch mehr Rotkehlchen gezählt worden.
Die eher milden Temperaturen sorgten überdies dafür, dass sich weniger Wintervögel aus dem hohen Norden auf den Weg hierher gemacht hätten, so Freter. Zugleich seien viele Waldvögel nicht zu den Futterstellen gekommen. Sie finden außerhalb der Gärten noch genug Nahrung. „Die Zahlen für manche typische Futterhausbesucher sind aus diesen Gründen niedriger als im Vorjahr.“
Wie aussagekräfig sind aber solche Zählungen, wenn etwa jeder Vogel eines ganzen Trupps gemeldet wird wie vermutlich bei den Ringeltauben? „Es ist natürlich eine Momentaufnahme und nicht vergleichbar mit einer wissenschaftlichen Kartierung“, sagt Florian Scheiba. „Aber die Zählung ist ein guter Indikator dafür, wie es der Vogelwelt geht.“ Auch Bremens Nabu-Chef Sönke Hofmann hatte kürzlich betont, dass so Bestandstrends erkennbar würden.
Die Zählaktion der Naturschützer läuft jetzt zum neunten Mal, entsprechend viele Datenreihen seien schon vorhanden, sagt Scheiba. Mit den steigenden Teilnehmerzahlen würden die Ergebnisse auch belastbarer. „Wir rechnen dieses Jahr mit einer Rekordbeteiligung.“ Noch bis Dienstag, 15. Januar, können Zählergebnisse nachgemeldet werden, auch Meldungen, die mit der Post kommen, müssen noch ausgewertet werden. Das Endergebnis der „Stunde der Wintervögel“ soll Ende des Monats feststehen.