Die Diskussion nach den Silvester-Vorfällen an der Grohner Düne nimmt zu. Über die Zukunft der Revierstruktur in Bremen-Nord wurde Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) eingeladen.
Drohende Revierschließungen, Einbruchsserien in der Weihnachtszeit, Angriffe auf Polizei und Streifenwagen – die Innere Sicherheit wird immer mehr zum Standort-Thema für den Bremer Norden. Während aktuell die Diskussion nach den Silvester-Vorfällen an der Grohner Düne an Schärfe zunimmt, hat der Wirtschaftsrat Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) zur Diskussion eingeladen, um Fragen zur künftigen Polizeiarbeit in Nord zu beantworten.
Noch ist offen, wie die künftige Revierstruktur in Bremen-Nord aussehen wird. Vegesacks Ortsamtsleiter Heiko Dornstedt hatte zwar schon Mitte Dezember auf Auskunft zum Fortschreiten der Reform-Überlegungen aus dem Innenressort gehofft, muss jetzt aber feststellen: „Unser Stand ist, dass wir keinen Stand haben.“
Zur Erinnerung: Im Oktober hatten die Revierleiter einen Brief an Innensenator Mäurer gerichtet und vor einer Demontage der Polizeipräsenz in den Stadtteilen gewarnt. Interner Diskussionsstand war zu dem Zeitpunkt, dass von den drei Revieren nur eines übrig bleiben könnte, die beiden weiteren würden zu Außenstationen. Eine neuere Grundlage gibt es nicht, Mäurer hat sich öffentlich noch nicht zur Zukunft der Polizeistruktur in Bremen-Nord geäußert. Das haben indes die Beiräte getan. Explizit die Beiräte in Burglesum und Blumenthal forderten im Herbst den Erhalt ihrer Reviere. Einher gingen die Beschlüsse mit der Forderung, die Stellen von Kontaktpolizisten wieder zu besetzen und die Einsatzkräfte besser auszustatten.
Rose Gerdts-Schiffler, Sprecherin der Innenbehörde, vertröstet jetzt weiter: Zunächst wolle der Senator weitere Gespräche führen. Sie gehe davon aus, dass eher im Februar als im Januar ein erster konkreter Vorschlag auf dem Tisch liegen werde. Dieser wird dann aber nicht öffentlich, sondern zunächst im Begleitausschuss „Polizeireform“ vorgestellt. Anschließend soll darüber mit allen 19 Beiräten gesprochen und diskutiert werden. Die Behördensprecherin geht davon aus, dass der Beratungsprozess voraussichtlich die erste Jahreshälfte in Anspruch nehmen wird.
Blumenthals Ortsamtsleiter Peter Nowack hat sich nach eigenen Worten bereits mit Innensenator Ulrich Mäurer und dem Senatsbeauftragten für Bremen-Nord, Martin Prange, darauf verständigt, dass die Polizei im Stadtteil präsenter wird. So sei daran gedacht, vor allem in den Abend- und Nachtstunden Polizeibeamte in Zivil einzusetzen, um Einbrechern schneller und effektiver das Handwerk legen zu können. Darüber hinaus, so Nowack, sollen nachts künftig mehr Streifenwagen in Bremen-Nord unterwegs sein, deren Einsätze von einem zentralen Standort aus erfolgen. Ein Blumenthaler Revier als Anlaufstelle für den Bürger werde es auch nach einer Neuausrichtung der Polizeiarbeit geben, ist er nach den Gesprächen überzeugt. Allerdings müsse es dann nicht mehr nachts besetzt sein, sagt Nowack.
25 Einbrüche verzeichnet
Neben der Strukturreform gab es in den vergangenen Wochen und Monaten mehrfach Themen der Inneren Sicherheit, die die Bevölkerung bewegt haben. Auch der Wirtschaftsrat weist im Vorfeld der Podiumsdiskussion auf die Wohnungseinbrüche hin. Aktuell weist der Einbruchsradar auf der Internetseite der Bremer Polizei 25 Einbrüche für den Zeitraum vom 19. Dezember bis 1. Januar in Bremen-Nord aus. Die Zahl hat in den vergangenen Wochen auch schon deutlich höher gelegen.
Bernhard Wies, Vorstandsmitglied des Wirtschaftsrats, warnt vor den Auswirkungen, wenn Bremen-Nord immer wieder mit Negativschlagzeilen zum Bereich Innere Sicherheit auf sich aufmerksam macht. Das könne bei der Entscheidung von Bürgern und Unternehmen, sich in Bremen-Nord anzusiedeln, Einfluss nehmen. Bernhard Wies wirbt dafür, die Innere Sicherheit als Thema weit zu fassen, einschließlich der Sozialarbeit, die an verschiedenen Orten geleistet werde. Und der Frage, „wie man mit Tätern umgeht, die man gefasst hat. Das ist sehr facettenreich.“
Derweil hat der Nordbremer CDU-Abgeordnete Rainer Bensch mit seiner Aussage zum Einsatz von Waffen die Diskussion um die Silvester-Vorfälle an der Grohner Düne weiter angefacht. Heike Sprehe, Vorsitzende des SPD-Unterbezirks Bremen-Nord, tritt Bensch entgegen: „Ein Angriff mit Böllern und Flaschen auf Streifenwagen ist nicht zu verharmlosen, aber damit den Einsatz von Schusswaffen zu begründen, entbehrt jeder rechtlichen Grundlage.“ Mehr noch: Sprehe ist überzeugt, die Polizei habe „situationsgerecht richtig reagiert“. Wie berichtet, sind an Silvester zwei Streifenwagenbesatzungen aus einer Gruppe von 30 Personen heraus mit Böllern und Flaschen beworfen worden. Die Streifenwagen wurden beschädigt, die Beamten mussten sich zurückziehen. Sie konnten keine Videoaufzeichnungen anfertigen.
Sprehe betont dennoch: „Eine nach Benschs Aussagen notwendige Änderung des Bremischen Polizeigesetzes mit der Möglichkeit eines erleichterten Schusswaffengebrauchs sowie eine flächendeckende Videoüberwachung wird von mir strikt abgelehnt.“ Die SPD-Bürgerschaftsabgeordnete warnt vor der „Schaffung amerikanischer Verhältnisse“, wo jährlich über 500 Personen von der Polizei erschossen würden. Das sei nicht der richtige Weg. Sie ist außerdem überzeugt: „Eine flächendeckende Videoüberwachung im öffentlichen Raum erinnert an einen Überwachungsstaat nach George Orwell und ist bekanntlich zur Abschreckung beziehungsweise Verhinderung von Straftaten nicht geeignet.“
Anders sieht das Jan Timke, Bürgerschaftsabgeordneter der Wählergemeinschaft „Bürger in Wut“. Er wertet den Angriff gegen Polizisten als Angriff auf den Rechtsstaat: „Unsere Beamten, die tagtäglich ihren Kopf für Sicherheit und Ordnung in Deutschland hinhalten müssen, haben ein Recht auf körperliche Unversehrtheit im Dienst. Und die Unterstützung der Politik.“
Die Podiumsdiskussion des Wirtschafts- und Strukturrates findet am Donnerstag, 26. Januar, um 18.30 Uhr in der Strandlust statt. Neben Innensenator Ulrich Mäurer wird Jochen Kopelke, der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, auf dem Podium sitzen. Ebenfalls dabei ist Professor Arthur Hartmann von der Hochschule für Öffentliche Verwaltung, der dort das Institut für Polizei und Sicherheitsforschung leitet. Moderiert wird der Abend von Bernhard Wies. Der Wirtschaftsrat macht in dieser Woche Pause, die Geschäftsstelle ist ab dem 9. Januar wieder besetzt.