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Bundesweite Studie Illegales Glücksspiel nimmt auch in Bremen zu

Eine Feldstudie zeigt, dass sich illegales Glücksspiel verstärkt ausbreitet. Warum das so ist und wie sich die Situation in Bremen und Niedersachsen darstellt.
17.02.2022, 17:48 Uhr
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Von Fabian Dombrowski Norbert Holst

Gestalten, die in dunklen Hinterzimmern verschwinden, verrauchte Spelunken, in denen zu später Stunde noch Männer vor Geldautomaten hängen – das, was vielen eher aus Filmszenen bekannt ist, hat Jürgen Trümper ganz real erlebt. Trümper ist Glücksspielexperte und Vorsitzender des Arbeitskreises gegen Spielsucht. In einer Feldstudie hat er untersucht, wo und mit welchen Spielen in Deutschland illegal gezockt wird – auch in Bremen.

Trümper hat Spielorte, in denen er illegales Glücksspiel vermutete, heimlich ausgekundschaftet, verteilt auf 13 Bundesländer. Die Feldstudie wurde in Auftrag gegeben vom Dachverband der Deutschen Automatenwirtschaft (DAW) und gibt einige Einblicke in einen Bereich, der oft in Hinterzimmern stattfindet und deshalb meistens im Dunkeln bleibt. 1408 der von Trümper besuchten Spielorte verstießen gegen geltendes Recht. Der Großteil davon, nämlich 1110, klassifizierte Trümper als illegale Spielorte und als sogenannte Problemgastronomie. Eine kleinere Rolle spielten Kulturvereine, Sportwettbüros und Shisha-Bars.

Trümpers Fazit: Vor allem die sogenannten Fungames erlebten aktuell eine Renaissance. Das sind manipulierte Automaten, an denen häufig mit Spielmünzen gespielt wird, die später in echtes Geld umgetauscht werden können. Diese sind seit 2006 verboten. 44,5 Prozent der von Trümper verzeichneten illegalen Spielgeräte waren Fungames. Danach folgen Kartenspiele mit 28,4 Prozent.

Mehr Fälle von unerlaubtem Glücksspiel in Bremen

In vielen Bundesländern konnte Trümper regelrechte Hotspots von illegalem Glücksspiel ausmachen, etwa in Niedersachsen, wo er 102 solcher Spielorte fand. Der Forscher nennt nicht die betroffenen Städte, aber Hannovers Amüsierviertel Steintor dürfte dazugehören. Für das Land Bremen verzeichnete er 37. Der Experte betont, dass das Phänomen eben nicht nur in großstädtischen sozialen Brennpunkten vorkomme, sondern sich auch in Klein- und Mittelstädten ausbreite.

Nach Angaben des Bremer Senats gibt es im Land Bremen insgesamt 167 Spielhallen: 133 in Bremen und 34 in Bremerhaven. In Bremen stehen die meisten Spielhallen im Stadtteil Mitte, nämlich 22, danach folgen Gröpelingen und Hemelingen mit jeweils 14. Hinzu kommen noch insgesamt 42 Wettbüros in beiden Städten.

Illegale Spielorte machen die Behörden häufig in den Hinterzimmern der erlaubten Spielstätten aus, aber auch in Kulturvereinen, Teestuben und Internetcafés. Im Jahr 2020 gab es in Bremen laut Kriminalstatistik 26 Fälle im Bereich „Unerlaubte Veranstaltung eines Glücksspiels“, im Jahr 2019 waren es noch 14. Diesen Anstieg erklärt sich der Senat zum einen durch die verstärkte Kontrolle von Innenräumen im Zuge der Corona-Pandemie, zum anderen auf die zunehmenden Kontrollen des Ordnungsamtes im Bereich Sportwetten.

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Tobias Hayer, Glücksspielforscher an der Universität Bremen, bestätigt, dass es Hinweise gibt auf eine Zunahme illegaler Aktivitäten im sogenannten terrestrischen Bereich, also ohne Berücksichtigung von Online-Angeboten. Genaue Daten gebe es aber nicht, betont Hayer. Allerdings gehe es auf diesem Markt längst nicht nur um die Fungames, sondern um in Deutschland nicht zugelassene Glücksspielautomaten, an denen auch mit echtem Geld gespielt wird. Laut dem Jahresreport der Glücksspiel-Aufsichtsbehörden der Länder aus dem Jahr 2020 gehen 13 Prozent der Spielerträge – analog und online zusammengenommen – auf den unerlaubten Markt zurück. „Letztendlich bieten illegale Geräte weitaus größere Spielanreize“, so Hayer, „vor allem was die Einsatz-, Gewinn- und Verlustmöglichkeiten angeht".

Spielsüchtige Menschen teils hoch verschuldet

Die Spielverordnung des Bundes begrenzt den Gewinn pro Stunde auf 400 Euro sowie den Verlust pro Stunde auf 60 Euro. Wie hoch sich spielsüchtige Menschen teilweise verschulden, zeigt die Dokumentation der Bremer Fachstelle Glücksspielsucht: 2020 gaben 41,7 Prozent der Hilfesuchenden Schulden in Höhe bis zu 10.000 Euro an, 12,5 Prozent sogar über 50.000 Euro. Laut den Angaben der Fachstelle sind Geldspielgeräte dabei das Hauptproblem, nämlich bei 59,6 Prozent der Klienten. Laut Angaben der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung lag im Jahr 2019 bei knapp 430.000 Menschen ein problematisches Spielverhalten oder Spielsucht vor.

Seit Juli 2021 gilt der neue Glücksspielstaatsvertrag, der für Anbieter strengere Regelungen vorsieht. Casino- und Glücksspielverbände sind besorgt, dass viele Anbieter lieber in der Illegalität bleiben. Georg Stecker, Vorstandssprecher der Deutschen Automatenwirtschaft: „Eine gute Regulierung produziert keine Illegalität, sondern verhindert sie. Wenn das legale Angebot in seiner Verfügbarkeit und in seiner Attraktivität drastisch reduziert wird, entsteht illegales Angebot, wie die aktuelle Studie von Trümper zeigt.“

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Dass in gastronomischen Betrieben nicht mehr drei, sondern nur noch zwei Geldspielgeräte erlaubt sind, habe zu einer Ausbreitung illegaler Automaten geführt. „Wer diese Fehlentwicklung beseitigen will, muss umsteuern. Der Vollzug muss deutlich verstärkt werden, aber es müssen auch die erlaubte Zahl der legalen Geräte und die Attraktivität des Spiels wieder erhöht werden, um das Problem an der Wurzel zu packen“, so Stecker.

Ob die Renaissance des illegalen Glücksspiels auf die strengeren Gesetze zurückzuführen ist, vermag Hayer nicht zu sagen. Er betont aber, dass die strengeren Regelungen allein aus Gründen der Suchtprävention notwendig gewesen seien. Um bessere Kontrollen zu ermöglichen, sollten nun Ordnungsämter in Sachen Personal und Know-how aufgerüstet werden. Keineswegs dürfe die Attraktivität der legalen Geräte wieder erhöht werden. Dieser Schritt schüre nur einen Aufschaukelungswettbewerb zwischen dem legalen und illegalen Markt – zulasten des Spielerschutzes.

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