Frau Weiß, was genau machen Sie als Fachkoordinatorin „Junge Menschen“?
Nicole Weiß: Ich habe eine Schnittstellenfunktion zwischen der Sozialbehörde und dem Jugendamt. Meine Aufgabe ist es, die fachlichen Fragen des Amts in die Behörde zu spiegeln. In der Behörde werden ja die Vorgaben für die Arbeit an der Basis gemacht. Ich sorge dafür, dass beides zusammenpasst.
Haben Sie ein Beispiel?Wenn den Kollegen im Jugendamt zum Beispiel auffällt, dass es im Zusammenspiel mit Schulen zu Missverständnissen kommt, melden sie uns das. Wir im Amt bereiten das Problem dann gemeinsam auf, zur Klärung mit der Sozial- und Jugendbehörde. Vergangenes Jahr haben wir zum Beispiel die Bögen überarbeitet, mit denen Schulen eine Kindeswohlgefährdung melden können.
Wenn eine Schule merkt, einem Kind geht es nicht gut: Wie läuft so etwas ab?Zuerst versucht die Schule es intern zu klären, über Beratungen mit den sozialpädagogischen Fachkräften, man versucht, mit den Eltern und Schülern zu sprechen und ohne das Jugendamt eine Lösung zu finden. Erst wenn die Schule Anhaltspunkte hat, dass die Familie einen höheren Unterstützungsbedarf hat, meldet sie sich beim Jugendamt – in der Regel in Absprache mit den Eltern. Dafür gibt es die Bögen. Wir gehen dann in Kontakt mit der Familie.
Je jünger die Kinder sind, desto eher geht es darum, Erziehungsunterstützung zu leisten. Ich glaube, dass wir heutzutage in einer Gesellschaft leben, die den Eltern suggeriert, dass sie alles perfekt machen müssen – und dass Eltern auch häufig deswegen nicht auf ihr Gefühl hören, sondern sich von den vielen Informationen verunsichern lassen. Ein anderes Problem ist, dass Eltern in ihrer Sozialisation bestimmte Dinge nicht gelernt haben. Manchmal liegen auch traumatische oder belastende Familienereignisse vor wie Trennungen. Je älter die Kinder sind, desto eher sind sie selbst mit dem Jugendamt im Gespräch, etwa wegen Mobbing.
Sich Hilfe zu holen, hat auch etwas mit einem Eingeständnis zu tun, nicht weiter zu wissen. Würden Sie sagen, dass viele Leute zu spät kommen?Ja. Ich glaube, dass das häufig auch an diesem Perfektionsanspruch liegt. Dabei kommen alle Eltern im Laufe ihrer Erziehung mal an den Punkt, dass sie nicht weiter wissen. Die einen müssen nur im Internet recherchieren, andere brauchen mehr Unterstützung. Das Jugendamt bietet hierfür zahlreiche, auch niedrigschwellige Unterstützung, wie etwa die Erziehungsberatungsstellen oder die Angebote der Häuser der Familien.
Wenn man in einem Beruf arbeitet wie Sie, hat man oft mit traurigen Schicksalen zu tun. Was motiviert Sie?Ja, das sind viele Schicksalsfälle. Aber wir haben auch ganz viele tolle Erlebnisse, wenn Eltern an sich wachsen, wenn man merkt, dass Hilfen funktioniert haben, wenn sich Familien freuen, dass es keinen Streit mehr gibt. Das ist so ein schönes Gefühl, das gibt einem ganz viel, wenn man merkt: Die Unterstützung, die man angeboten hat, wirkt. Solche Fälle sind so viel mehr als die schlimmen, über die immer berichtet wird.
Die Fragen stellte Carolin Henkenberens.Nicole Weiß (35)
hat Soziale Arbeit studiert und ist seit 2006 beim Jugendamt tätig, zunächst im Kinder- und Jugendnotdienst, dann als Referatsleiterin, derzeit als Fachkoordinatorin im Bereich „Junge Menschen“.