Es wäre nicht das erste Mal, dass Niedersachsen Vorbild für Bremen ist. Aktuell wird in Hannover um eine Neufassung des Jagdrechts gerungen – der Koalitionsvertrag der rot-grünen Landesregierung sieht das vor. Der Landesjagdverband wittert Bestrebungen, die Jagd „langfristig abzuschaffen“, und will auf die Barrikaden gehen. Auch Bremens Jäger seien am 30. Januar dabei, wenn Waidleute in Hannover gegen Neuregelungen protestieren, kündigt ihr Verbandspräsident Marcus Henke an. Änderungen soll es laut Koalitionsvereinbarung auch in Bremen geben: SPD, Grüne und Linke wollen „das Jagdgesetz im Sinne des Tierschutzes in einem Dialogprozess mit der Jägerschaft, Tier- und Naturschutzverbänden und weiteren Akteuren novellieren“.
Es seien bereits „viele Ideen entstanden und zusammengetragen“ worden, „ein Gesetzentwurf ist daraus noch nicht entstanden, aber wir haben uns das für diese Legislaturperiode vorgenommen“, sagt Philipp Bruck, tierpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion. Eine niedersächsische Entscheidung werde Auswirkungen auf Bremen haben, davon ist Marcus Henke, Präsident der Jägerschaft, überzeugt. „In der Jagd ist ja alles ländergrenzübergreifend.“ Einheitliche Regelungen seien wünschenswert, „aber sie müssen sinnvoll sein“.
"Ideologisch motivierte" Reform
Das niedersächsische Vorhaben aber sei „reinweg ideologisch motiviert“, sagt Henke. „Das müssen wir in Bremen verhindern.“ Die niedersächsische Reform sehe beispielsweise vor, Nutria – die in Bremen Deiche und Bodenbrüter gefährden – aus dem Jagdrecht zu nehmen. In Bremen wäre es „fatal“, meint Henke, wenn nicht Jagdberechtigte mit dieser Aufgabe betraut würden. Dann würden Fallen gestellt, die aber laut Planung Tiere nicht mehr unmittelbar töten dürften. Die Sache mit den Nutrias ist auch für Stadtjägermeister Richard Onesseit „kontraproduktiv“. Die Liste der jagdbaren Tiere müsse stattdessen erweitert werden – etwa um Dachse.
Zu diesem Punkt und auch zur Ausbildung der Jagdhunde weist das grün geführte Landwirtschaftsministerium in Hannover „sehr deutlich darauf hin, dass einige Aussagen der Landesjägerschaft (Niedersachsens) im Zusammenhang mit der geplanten Gesetzesnovelle nicht korrekt sind“, obwohl dem Präsidium „der Sachverhalt genaustens bekannt“ sei. Keineswegs solle die „Jagdhundeausbildung am lebenden Wild“ pauschal verboten werden, die Nutriajagd solle nicht erschwert, sondern „im Sinne des Hochwasserschutzes vereinfacht“ werden, indem „eine einheitliche Rechtsgrundlage zur Bekämpfung der beiden invasiven Tierarten Nutria und Bisam“ geplant sei.
"Unnötige Hundeausbildung"
Für Simone Bawey, Vorstandsmitglied im Ökologischen Jagdverein Niedersachsen-Bremen (ÖJV), stellt das ein Dilemma dar: „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass, funktioniert nicht.“ Ihr Verein mit 200 Mitgliedern sei bislang noch nicht in Gespräche einbezogen worden. Zu sagen gebe es da einiges: zum Beispiel über den Einsatz lebender Enten bei der Jagdhundeausbildung. Die Übung müsse von allen absolviert werden, auch wenn sie später nicht bei der Nieder- und Wasserwildjagd eingesetzt würden. „Das ist unnötig. Aber das Thema kommt in den Änderungen nicht vor.“
Die Übung heiße „tote Ente“, sagt Simone Bawey. Richard Onesseit erklärt sie: Dem Vogel wird ein Flügel mit Kreppklebeband abgeklebt, um zu simulieren, dass er angeschossen ist. Der Hundeprüfling schwimmt der vermeintlich verletzten Ente nach und soll sie lebend fangen. Am Ende der Übung wird der apportierte Vogel erschossen.
"Schussfestigkeitstest" für Jäger
Das gilt nicht für wildernde Hunde und Katzen außerhalb einer Bannzone. Weil in Bremen stets „in urbaner Nähe“ gejagt wird, bleiben sie in aller Regel verschont. Deshalb hält Richard Onesseit ein Verbot des Abschusses in Bremen nicht für notwendig. So sieht es auch Philipp Bruck von den Grünen: „Das macht keiner.“ Was er sich wünscht, ist beispielsweise, dass Rote-Liste-Arten wie die Knäk- und die Krickente nicht länger als jagdbar geführt werden und dass Jägerinnen und Jäger „jährliche Schussfestigkeitstests“ absolvieren. „Das gibt es in Bremen nicht.“ Das Verbot von Totschlagfallen gebe es in der Hälfte der Bundesländer bereits. Bruck ist ein Befürworter.
Ebenso Olaf Zimmer, tierschutzpolitischer Sprecher der Linksfraktion: „Wir sehen die Jagd nicht als Selbstzweck, das Töten von Wildtieren nach Tierschutzgesetz bedarf eines vernünftigen Grundes. Wir schätzen daher unsichere und unspezifische Jagdmethoden wie Fallen- oder Baujagd als sehr kritisch ein. Die Jagd mit grausamen Totschlagfallen lehnen wir grundsätzlich ab.“
Nachtsichttechnik gefordert
Was der Stadtjägermeister und der Jägerschaftspräsident gern in Bremen hätten, ist, dass „Nachtsichttechnik auf Waffen“ erlaubt werde, wie Marcus Henke sagt. Auch Derik Eicke, SPD-Fraktionssprecher unter anderem für Umwelt und Landwirtschaft, will sich in Bremen vor allem für den Einsatz von Nachtsichttechnik starkmachen. Die beteiligten Institutionen, Vereine und Verbände in Bremen stünden „im total engen Austausch“, sagt Eicke und ist mit Blick auf Hannover überzeugt: „Wir kriegen das anders hin.“
Das niedersächsische Landwirtschaftsministerium hat mittlerweile ein Eckpunkte-Papier veröffentlicht, in dem zu einzelnen Punkten detaillierter Stellung genommen wird. Die Jägerschaft indes wehrt sich gegen den lautgewordenen Verdacht, sie betreibe Wahlkampf – und beharrt auf dem Recht zu demonstrieren.