Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

50 Jahre Klinikum Links der Weser „Nötig ist eine Diskussion über die Zukunft“

Der frühere Gesundheitssenator Herbert Brückner und sein einstiger Senatsdirektor Hans-Helmut Euler haben die Entwicklungen an den städtischen Krankenhäusern maßgeblich beeinflusst.
14.02.2018, 19:09 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
„Nötig ist eine Diskussion über die Zukunft“
Von Detlev Scheil

Herr Brückner, Herr Euler, wie haben Sie das Krankenhaus Links der Weser (LDW) in der Anfangszeit wahrgenommen?

Herbert Brückner : Im Krankenhaus Links der Weser war ich als Besucher immer gern, es war dort alles noch recht neu und übersichtlich, das war etwas Besonderes etwa im Gegensatz zum Krankenhaus St.-Jürgen-Straße. Und dort waren äußerst freundliche Leute, das habe ich von Anfang an so erlebt, vor allem bei den Treffen mit dem Ärztlichen Direktor Franz Böhmert und dem Pflegedirektor Günter Wollborn.

Hans-Helmut Euler: Nach meinem Dienstantritt 1976 bin ich 14 Tage durch die Krankenhäuser gegangen, um sie kennenzulernen. Das LDW erlebte ich als frisches, neues, gut organisiertes Krankenhaus. Aber die St.-Jürgen-Straße hieß immer „das große Krankenhaus“, und dort haben sich alle für etwas Besonderes gehalten. Die anderen Krankenhäuser hatten es schwer, dagegen anzukommen. Es war aber klar, dass in der Bremer Krankenhauslandschaft Reformbedarf bestand.

Inwiefern Reformbedarf?

Brückner: Neben den vier großen gab es noch andere, kleine Krankenhäusern mit jeweils etwa 100 und 200 Betten in den Stadtteilen, zum Beispiel in Sebaldsbrück, Oberneuland und Findorff. Es war klar, dass sie keine wirtschaftliche Chance hatten. Deshalb haben wir eine Strukturreform angestrebt mit der Idee, vier lebensfähige Krankenhäuser mit jeweils ein oder zwei besonderen medizinischen Schwerpunkten zu schaffen.

Euler: Ja, unsere Idee war, auf eine wirtschaftliche Größe der Krankenhäuser mit etwa 400 bis 600 Betten zu setzen. Schon nach kurzer Zeit hat mich Franz Böhmert angerufen und um ein Treffen gebeten. Wir sprachen über die Kardiologie und waren uns einig, dass dem damaligen Herzinstitut Dr. Buhr beim Krankenhaus St.-Jürgen-Straße nicht allzu viel zuzutrauen sei. Böhmert schlug vor, einen Herzspezialisten aus Berlin nach Bremen zum LDW zu holen. Tatsächlich kam der Oberarzt im Januar 1977 zu einem Gespräch nach Bremen und war auch sehr interessiert. Er fragte dann, wann mit Herzoperationen angefangen werden könnte. Ich antwortete, bei den notwendigen politischen Abstimmungen und Abläufen dürfte es in sechs Jahren, 1983, soweit sein. Das war dem Interessenten zu lange. Der Clou: Tatsächlich fand die erste Herzoperation im LDW am 8. August 1983 statt.

Wie konnte der neue Herz-Schwerpunkt am LDW finanziert werden?

Brückner: Ja, das war schwierig. Am Anfang war von einer Million D-Mark für die Erstausstattung die Rede, das stieg dann auf zwei Millionen. Die Krankenhaus-Investitionsmittel waren aber auf Jahre verplant. Es ging dann nur, weil wir auch Lotto-Mittel dazugenommen haben. Ich war froh, als das Geld zusammen war – doch das sollte noch nicht alles sein.

Euler: Genau, es ging zunächst nur um das Herzkatheterlabor, das 1980 eröffnet wurde. Es kam noch die Ausstattung für die Chirurgie dazu.

Brückner: Richtig, wir mussten die drei Millionen D-Mark für die Chirurgie auch hinblättern, das waren Landesmittel. Es gab dafür breite Unterstützung in der Gesundheitsdeputation, alle erkannten, dass das neue Herzzentrum am LDW eine gute Sache ist. Für Bremen war das etwas völlig Neues. Es gab aber auch Erfolgsdruck: Es musste gelingen – wehe, wenn es nicht gelingt.

Das war natürlich auch von den Ärzten abhängig.

Euler: Ja, mit den Chefärzten Knut Leitz und Heinz-Jürgen Engel haben wir es gut getroffen. Um wirtschaftlich zu arbeiten, musste schnell und gut operiert werden. Die Pauschale für eine Herz-OP lag bei rund ­12 000 D-Mark.

Brückner: „Herr Senator, machen Sie sich keine Sorgen, damit kommen wir gut hin“, beruhigte mich Professor Leitz. Er erreichte schon im ersten Jahr die doppelte Anzahl der zugrunde gelegten Operationen. Und seit dieser Zeit steht das Krankenhaus LDW gut da. Der Weg dorthin war allerdings turbulent, es ging nur mit sehr, sehr vielen Gesprächen und mit einem ungeheuren Engagement aller Beteiligten.

Ganz vorn an der Bewegung stand aber Franz Böhmert – oder?

Brückner: Sicher, Böhmert war der stärkste Antreiber. Wir wollten das aus strukturellen Gründen, es kam aus unserer Sicht nur das LDW als Herzzentrum in Frage. Aber wir hätten uns nicht so beeilt und das letzte Geld zusammengekratzt, wenn Böhmert nicht ständig auf der Matte gestanden hätte.

Welche Besonderheiten zeichneten das LDW noch aus?

Brückner: Da gab es in der Zeit von Mitte der 70er- bis Mitte der 80er-Jahre so einiges. In vieler Hinsicht war das LDW ein Vorzeigekrankenhaus. Zum Beispiel gab es dort auch die ersten Kunstausstellungen in einem Krankenhaus.

Euler: Das LDW hatte außerdem eine Vorreiterrolle bei der Verzahnung von ambulanter und stationärer Behandlung im Sinne von Medizinischen Versorgungszentren, kurz MVZ. Der Verwaltungsdirektor Peter Stremmel hat das vorbildlich gefördert.

Brückner: In Sachen MVZ bekamen wir viel Gegenwind, da wurde gesagt, das sei Sozialismus.

Teilen Sie den Eindruck, dass sich die Führung des kommunalen Krankenhausverbundes Gesundheit Nord (Geno) heute dominant um die Probleme mit dem Teilersatzneubau beim Klinikum Mitte und eher wenig um die Zukunft von LDW und der anderen Kliniken kümmert?

Brückner: Es ist wichtig, Visionen zu entwickeln, wie sich die vier kommunalen Krankenhäuser in den nächsten zehn bis 15 Jahren aufstellen sollen – und zwar ausdrücklich auch im Verbund mit den frei-gemeinnützigen Krankenhäusern. Ich bin ein großer Freund davon, dass Perspektiven entwickelt und öffentlich diskutiert werden. Mein Fazit: Nötig ist eine breite Diskussion über die Zukunft.

Euler: Dem stimme ich zu. In der Krankenhauspolitik muss aber der Blick auch über die Bremer Landesgrenzen hinaus gelenkt werden. Es muss offensiv mit Niedersachsen geredet werden, ob nicht besser Krankenhäuser im Bremer Umland geschlossen werden sollten und die Versorgung bei Bremer Kliniken angesiedelt wird – einschließlich besonderer Schwerpunkte, die Niedersachsen haben möchte. Es ist höchste Zeit, auf Niedersachsen zuzugehen und auf eine gemeinsame Krankenhauspolitik und -finanzierung hinzuarbeiten. Das könnte auch neue Chancen für LDW eröffnen, indem dort medizinische Disziplinen angesiedelt werden, die dort bisher kaum vorhanden sind, wie zum Beispiel die Urologie.

Hat Gesundheitspolitik in Bremen heute noch den Stellenwert wie zu Ihrer Zeit?

Brückner: Gesundheitspolitik wird heute eher so nebenbei gemacht, die Geno regelt vieles selbst, worum sich früher das Gesundheitsressort gekümmert hat. Wir mussten uns als Senator und Senatsdirektor um jede Chefarztberufung bemühen, genau gucken, ist das die richtige Person an der richtigen Stelle. Das macht die Geno heute für sich, in der Politik kümmert sich keiner mehr intensiv darum. Ich glaube, Gesundheitspolitik wird in zweierlei Hinsicht unterschätzt. Zum einen muss sie sich auch im Kleinen darum kümmern und nicht nur in den großen Linien, zum anderen muss der politischen Bedeutung der Gesundheits- und Krankenhauspolitik mehr Rechnung getragen werden.

Euler: Unsere Nachfolger hatten offenkundig nicht so viel Interesse wie wir an der Krankenhauspolitik, vielleicht hatten wir auch ein glückliches Händchen.

Könnte das Dilemma mit der Krankenhausfinanzierung – insbesondere beim Klinikum Mitte - zu einer Privatisierung der kommunalen Häuser wie in Hamburg führen?

Brückner: Solange Sozialdemokraten im Senat sitzen, kann ich mir eine Privatisierung nicht vorstellen. Bei anderen Regierungskonstellationen würde ich es nicht für unmöglich halten.

Euler: Es war auch in Hamburg ein sehr schwieriger Prozess, und letztlich gelang er nur mit strengerer kommunaler Aufsicht. Ich finde, man sollte lieber über andere Dinge nachdenken. Etwa: Wir haben in Bremen vier kommunale und drei frei-gemeinnützige Krankenhäuser, muss die Trägerschaft immer so bleiben? Ich kann mir enge Kooperationen vorstellen, gerade auch bezogen auf das Klinikum Mitte und das St.-Joseph-Stift. Aus medizinischer Sicht ist es absurd, wie wenig diese beiden Nachbarkrankenhäuser kooperieren.

Das Gespräch führte Detlev Scheil.

ZUR PERSON

Herbert Brückner

war von 1975 bis 1987 Gesundheitssenator in Bremen. Der Sozialdemokrat hatte zunächst als Industriekaufmann und dann als Diakon gearbeitet und wurde 1971 in die Bremische Bürgerschaft gewählt. Von 1987 bis 1990 war er wieder Mitglied der Bürgerschaft. Von 1986 bis 1988 amtierte er als SPD-Landesvorsitzender. Der 79-Jährige wohnt im Bremer Ostertor und in Schwarme.


Hans-Helmut Euler

war von 1976 bis 1985 Senatsdirektor beim Gesundheitssenator. Der promovierte Facharzt für Innere Medizin und Sozialdemokrat arbeitete von 1985 bis 1989 als Chef der Senatskanzlei. Später machte er sich als Fernsehproduzent selbstständig. 1995 kandidierte er gegen Henning Scherf als Bürgermeister, unterlag jedoch in der Urabstimmung unter den SPD-Mitgliedern. Der 76-Jährige wohnt in der Bahnhofsvorstadt und in Berlin.

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)