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Mängel bei Gebäudemanagement Teure Alleingänge der Bremer Behörden

Rund 2000 Immobilien gehören in Bremen der öffentlichen Hand. Für eine sinnvolle Entwicklung dieses Vermögens bräuchte es eine Strategie, doch daran hapert es. Das räumt sogar der städtische Dienstleister ein.
07.11.2022, 05:00 Uhr
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Teure Alleingänge der Bremer Behörden
Von Jürgen Theiner

Muss der Raumbedarf der Behörden in Bremen besser gemanagt werden? Immer wieder gibt es aus der Politik Kritik am Immobilienmanagement der öffentlichen Hand. Zu unkoordiniert, zu sprunghaft, zu wenig vorausschauend und deshalb auch zu teuer – das sind Vorwürfe, die nicht nur aus der Opposition kommen, sondern zum Teil auch aus dem Behördenapparat selbst und von einzelnen Koalitionspolitikern. Das Fehlen einer Gesamtstrategie, so die weitverbreitete Einschätzung, verursacht immer wieder unnötige Kosten, die in die Millionen gehen. Drei Komplexe zeigen beispielhaft, worum es geht:

Umzüge von Behörden:

Der Senat hat den Personalbestand seiner Fachressorts in den vergangenen Jahren deutlich aufgestockt, seit 2016 ist die Zahl der Vollzeitstellen um 2000 auf etwa 16.000 gestiegen. Hierdurch, aber auch durch den Neuzuschnitt von Senatsressorts nach der Wahl 2019 entstand zusätzlicher Bedarf an Büroflächen. Dabei kümmerte sich aber jede Behörde nur um die eigenen Belange, statt koordiniert vorzugehen und dadurch gegenüber Vermietern mehr Marktmacht zu entfalten. So zogen mehrere Ressorts zu unterschiedlichen Konditionen in einen Bürokomplex an der Katharinenstraße ein, in dem früher die Bremer Landesbank ansässig war. Ähnlich lief es bereits vor fünf Jahren, als die Sozial- und die Gesundheitsbehörde in einen vom Immobilienentwickler Justus Grosse errichteten Neubau in der Überseestadt einzogen. Das Investitionsvolumen von Justus Grosse lag damals bei 14 Millionen Euro, die Stadt bezahlt über einen Zeitraum von 20 Jahren 15,7 Millionen Euro Kaltmiete.

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Unterbringung von Flüchtlingen:

Der Platzbedarf für die Aufnahme von Flüchtlingen hat in den vergangenen Jahren stark geschwankt. 2015/16 kamen in großer Zahl Asylbewerber nach Bremen, danach gingen die Zahlen wieder stark zurück, um aktuell wieder deutlich anzusteigen. Statt aber frühzeitig in eigenen Leerstandsimmobilien eine gewisse Flächenreserve für Unterbringungszwecke zu entwickeln – auch um den Preis, dass sie zeitweilig nicht benötigt werden – wurde in den vergangenen Jahren stets nur kurzfristig auf neue Lagen reagiert. Das Hin und Her zeigt sich exemplarisch bei der Landeserstaufnahme in Vegesack. Die einstige Firmenzentrale des Bremer Vulkan wird seit 2016 für die Unterbringung von Neuankömmlingen genutzt. Sie gehört einem Bremer Immobilienunternehmen, das sie einige Jahre zuvor für einen einstelligen Millionenbetrag erworben und anschließend umgerüstet hatte. Die Sozialbehörde hatte die ursprüngliche Aufnahmekapazität von 750 Personen zwischenzeitlich im Zuge von Umbauten herabgesetzt. Als sich der Zustrom von Asylbewerbern zuletzt wieder verstärkte, wurden auf dem Gelände zusätzliche Wohncontainer aufgestellt. Insgesamt zahlt Bremen dem Investor bis 2036 über 60 Millionen Euro an Warmmiete, also ein Vielfaches seines Einstandspreises.

Hulsberg-Gelände:

Seit der städtische Klinikverbund Gesundheit Nord (Geno) das Klinikum Mitte entlang der Bismarckstraße neu gebaut hat, steht der Großteil des riesigen Areals östlich der St.-Jürgen-Straße für eine Neugestaltung zur Verfügung. Über Teilverkäufe des Geländes an Investoren sollten rund 1200 Wohneinheiten entstehen. Doch so, wie es ursprünglich geplant war, wird das Konzept für das "Neue Hulsberg-Viertel" nicht umgesetzt. Denn zwischenzeitlich ist der Geno eingefallen, dass sie ein Ausbildungszentrum braucht und das Gelände an der St.-Jürgen-Straße als Standort ideal wäre. Es soll nun in Teilen des alten Bettenhauses und der alten HNO-Klinik angesiedelt werden. Der Verkauf dieses Geländeteils muss deshalb  rückabgewickelt werden. In der Folge entstehen in diesem Bereich weniger Wohnungen und Kfz-Stellplätze. Ein Stück weiter südlich an der St.-Jürgen-Straße mietet die Stadt das schon an Investoren verkaufte Gebäude der früheren Augenklinik zurück, um dort für einen längeren Zeitraum die benachbarte Grundschule an der Lessingstraße unterzubringen. Für 30 Jahre Gebäudemiete sollen 28 Millionen Euro Kaltmiete fällig werden. Auch diese Zahl sorgte für Aufsehen in politischen Kreisen, denn sie übersteigt die Kosten eines Neubaus deutlich.

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Die Bewirtschaftung städtischer Gebäude und Grundstücke ist Sache des kommunalen Eigenbetriebs Immobilien Bremen (IB). Er hat rund 2000 Objekte in seinem Bestand und übernimmt auch die Projektsteuerung bei Neubauten und Anmietungen für den Bedarf der Behörden. IB ist also das zentrale Instrument des Immobilienmanagements der öffentlichen Hand. Die objektiv vorhandenen Reibungsverluste zwischen den Senatsressorts und IB und die dadurch bewirkten Verzögerungen, Kurswechsel und Kostensteigerungen bei manchen Projekten haben in der Politik immer wieder den Ruf nach Reformen beim städtischen Immobilienmanagement laut werden lassen.

Zuletzt hat sich die CDU mit einem konkreten Vorschlag zu Wort gemeldet. In einem Antrag, der in Kürze in der Bürgerschaft diskutiert werden soll, verlangen die Christdemokraten klare Kompetenzabgrenzungen zwischen den Senatsressorts und IB. Es könne nicht sein, dass die Behörden für ihre Flächenbedarfe eigenständig am Markt Angebote sondieren, Vorverhandlungen führen und IB dann vor vollendete Tatsachen stellen. Die öffentliche Hand brauche ein "Immobilienmanagement aus einer Hand
statt teurer und ineffizienter Doppelstrukturen", heißt es in dem Papier.

Die Verantwortung müsse eindeutig zugeordnet sein. Die Senatsressorts sollten sich darauf beschränken, ihre Bedarfe an IB zu melden, fordert die CDU. "Alles Weitere soll Immobilien Bremen übernehmen." Angemahnt wird zudem eine vorausschauendere Flächenplanung durch die Senatsressorts. Zu häufig seien in der Vergangenheit teure Anmietungen von Gebäuden mit kurzfristigem Bedarf begründet worden. Um IB schlagkräftiger aufzustellen, soll der Eigenbetrieb von Aufgaben entlastet und auf seine immobilienwirtschaftliche Kernkompetenz ausgerichtet werden.

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Dass es Handlungsbedarf gibt, bejaht auch die IB-Geschäftsführerin Susanne Kirchmann. In bemerkenswerter Offenheit benennt sie die Defizite. "In Bremen wird bisher keine komplett koordinierte Immobilienstrategie für alle Behördenstandorte gelebt", so Kirchmann. Jedes Ressort arbeite für sich alleine, "weil es eigenverantwortlich ist und nicht alle Fäden zentral zusammenlaufen". Dabei mahne IB immer wieder an, bei den Immobilienprojekten der senatorischen Behörden rechtzeitig eingebunden zu werden. Kirchmann weiter: "Ich würde mir wünschen, dass wir als kompetente Berater:innen ernst genommen werden, dass unsere Expertise zählt und keine Alleingänge von nicht eigens dafür ausgebildetem Personal unternommen oder gar andere Externe dazu geholt werden."

Fortschritte erhofft sich die IB-Geschäftsführerin von einer neu entwickelten IT-Anwendung mit dem bezeichnenden Namen "Pro Bedarf". In dieser Datenbank wird IB den von den Behörden gemeldeten Raumbedarf künftig zentral erfassen. Auf dieser Grundlage, so hofft Susanne Kirchmann, kann mittelfristig eine vorausschauende Immobilienstrategie für Stadt und Land Bremen entstehen.

Zur Sache

Immobilien Bremen

Die Stadtgemeinde Bremen hat das Management ihrer  Liegenschaften dem Eigenbetrieb Immobilien Bremen (IB) übertragen. Rund 1000 Mitarbeiter sind für IB tätig, die meisten davon sind Hausmeister und Reinigungskräfte.  Wichtigste Dienstleistung ist die Bereitstellung von Räumlichkeiten für die Behörden. Dazu zählen beispielsweise auch Schulen und Kitas. IB kümmert sich um den Gebäudebestand, mietet bei Bedarf neue Objekte an oder beauftragt und steuert ihren Neubau. IB ist auch die größte Beschaffungseinrichtung für Bremens öffentlichen Dienst. Dort wird zum Beispiel Bürobedarf für die Behörden oder Mobiliar für die Schulen zentral geordert.

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