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Architektur Bremer Beispiele für besseres Bauen

Das "Grüne Haus" am Hohentor und ein Büro- und Wohngebäude mit Metallfassade im Ostertor - zwei Beispiele, dass in Bremen sehr wohl interessant gebaut werden kann. Wie sehen die Häuser genau aus?
13.03.2022, 05:00 Uhr
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Bremer Beispiele für besseres Bauen
Von Jürgen Hinrichs

Bremen. Wo, bitte, ist das Besondere? Irgendetwas, was ins Auge sticht? Bauen in Bremen – langweilig. Aber ist das tatsächlich so? Zwei Beispiele aus der Stadt, dass es auch anders geht: innovativ, interessant und schön anzusehen.

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Haus im Metallkleid

Schmal wie ein Handtuch, dafür aber ziemlich hoch, und die Fassade erst! Sie besteht aus dunkelgrauem Metall, das in der Farbwirkung je nach Sonnenstand changiert. Das Blech ist gefaltet, mal so, mal anders, um durch das Spiel von Licht und Schatten Lebendigkeit zu erzeugen. Erster Eindruck: Wow!

Das Haus mit seinen unregelmäßig gesetzten Fenstern an der Längsseite und dem riesigen gläsernen Ausguck auf der Ecke der oberen von vier Etagen, ist im Ganzen eine ungemein kräftige Ansage. Seitdem es vor wenigen Monaten im Ostertor fertig geworden ist, bleiben die Leute stehen und staunen. Adressbildung, sagen die Architekten, wenn ein Bauwerk die Identität eines Ortes verändert. Für die Ecke Auf den Häfen/Gertrudenstraße trifft das zu.

Bauherr ist Horst Dierking, Inhaber des benachbarten Einrichtungshauses Popo. Er hat das alte Haus mit dem Reiterfachgeschäft im Erdgeschoss abreißen lassen und beim Neubau auf dem Grundstück keinen einzigen Zentimeter ausgelassen. Seine Idee das alles, vor allem aber die des Planers, Dierking nennt den Namen: Henning Krohn von der Gruppe GME Architekten mit Sitz in Achim und Bremen. 

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Die Führung durchs Haus ist wie der Gang durch eine Design-Ausstellung. Möbel und Lampen stammen von Popo, entweder Neuware oder aus der Sammlung von Dierking. Der Unternehmer konnte sich in vielen Jahrzehnten einige besondere Stücke für den privaten Gebrauch sichern, einen Tisch von Frank Gehry zum Beispiel oder Stühle der Brüder Eames. Wertvolle Stücke, aber auch so etwas: "Dieser Stuhl stand bei Klöckner", zeigt Dierking auf eine Sitzgelegenheit der ehemaligen Stahlhütte.

Nachhaltigkeit – ein großes Thema in dem Haus: Die Böden aus Bambus, für die Akustik zementgebundene Leichtbauplatten aus Holzwolle, Fliesen aus recycelten Bildschirmen, die Ausstattung aus dem Fundus – das große Waschbecken im Bad auf einer der Etagen hing vorher bei einer Popo-Kundin, die sich beim Einrichter etwas Neues gewünscht hatte. Der Hauptnutzer des Gebäudes, das Coworking-Unternehmen Casino Futur, schließt sich da inhaltlich an. "Wir haben mit den Mietern der einzelnen Arbeitsplätze in der Regel langfristige Verträge abgeschlossen", sagt Geschäftsführer Marc Jaschik. Sein Anspruch: Kein schneller Wechsel der Coworker und die gemeinsame Philosophie, als Berater und Designer den Kunden in ihren Betrieben etwas beibringen, was Jaschik als "nachhaltige Zusammenarbeit" bezeichnet.

Die einzige Wohnung in dem Haus liegt unterm Dach und ist noch frei. Sie bietet durch das große Eckfenster einen Blick über das Ostertor bis hin zum Dom. Unter der Decke baumelt eine überdimensionierte Lampe des Designers David Trubridge. Sie bleiben hängen, egal, wer als Mieter einzieht. Die  Leuchte soll dauerhaft markieren, was Horst Dierking so sagt: "Wir hauen hier richtig auf den Putz."

Grünes Gebäude

Es war ein profaner Parkplatz an einer viel befahrenen Kreuzung. Keine schöne Lage, aber eine mit Potenzial, zumal jenseits der Straße der Hohentorspark und die Neustadtswallanlagen ihr grünes Band ausbreiten. Auf dem Grundstück steht jetzt ein Haus, das seit dem Jahreswechsel nach und nach von Mietern bezogen wird. Es ist das "Grüne Haus", eine Bezeichnung, die sich sofort erschließt: Grün sind die glasierten Ziegel an der Fassade. Die Farbe wechselt aufsteigend von dunkel zu hell, zwar nur in Nuancen, doch zusammen mit der gestaffelten Form des Baukörpers und den Unterschieden bei Größe und Einbauweise der Ziegel sorgt das für eine besondere Spannung. "Der Grünton lässt sich gewissermaßen auch programmatisch lesen", formulieren die Architekten von Hild und K aus München und Berlin in ihrer Beschreibung des Objekts, das sie entworfen haben. Auf dem Gründach des Gebäudes seien Solarzellen angeordnet, die gemeinsam mit einem Blockheizkraftwerk die Voraussetzungen für nachhaltige Energieversorgung schafften.

Hild und K hatten den Wettbewerb gewonnen, der von der Gewoba für den Neubau ausgelobt worden war. "Als sechseckiger Bug inszeniert der Wohnturm die Grundstücksspitze als identitätsstiftendes Entree des Viertels", heißt es in einer Erklärung des Büros. Das Haus ersetze damit das im 19. Jahrhundert abgerissene, namengebende Hohe Tor. Architekten brauchen eine Erzählung für ihre Pläne, vor allem dann, wenn sie sich in Wettbewerben durchsetzen wollen.

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Entstanden sind in dem achtstöckigen Gebäude 52 Wohnungen zwischen 30 und 75 Quadratmetern. Die Geschosse gruppieren sich um einen großzügig angelegten und hochwertigen Treppenkern. "Ungewöhnlich für ein Haus, das zu 80 Prozent mit öffentlich geförderten Wohnungen belegt ist", sagen die Architekten. Sie beziehen sich auf den finnischen Architekten Alvar Aalto und das von ihm entworfene Wohnhochhaus an der Berliner Freiheit in der Vahr. Dort gibt es am Ende der langen Flure Gemeinschaftsflächen.

Ein Oberlicht versorgt den Treppenkern im "Grünen Haus" mit Tageslicht, hinzu kommt eine raffiniert angebrachte Beleuchtung. Sehr hell ist es auch in den Wohnungen, sie sind allesamt mit sogenannten französischen Fenstern ausgestattet – bodentief und mit einem Außengeländer. Die weißen Markisen geben der Anmutung des Gebäudes noch einmal Pfiff, vor allem, wenn die untere Partie weggeklappt ist. Ins Auge fallen auch die Rücksprünge nach der vierten und sechsten Etage und die Gesimse, die dadurch entstanden sind.

Grün ist das Haus, grün die Energie, grün auch das Mobilitätskonzept: Wer einzieht, bekommt gratis die Mitgliedschaft beim Carsharing-Anbieter Cambio, der eigens ganz in der Nähe zwei seiner Autos zur Verfügung stellt, außerdem gibt es im Haus einen sehr geräumigen Abstellraum für mehr als 60 Fahrräder. Grün ist aber noch etwas anderes: Unter dem kleinen Vorsprung des Flachdachs sind Löcher gebohrt worden, in denen Fledermäuse und Mauersegler ihr Zuhause finden.

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