Was taugt das Handlungskonzept „Bremen 2035“, das die Zukunftskommission unter der Leitung von Bürgermeister Carsten Sieling (SPD) erarbeitet hat? Am Tag nach der Vorstellung der Arbeitsergebnisse meldeten sich am Dienstag die Oppositionsparteien zu Wort, und ihr Urteil lautet überwiegend: nicht viel. CDU, Linke und FDP halten dem Bürgermeister insbesondere vor, alten Wein in neuen Schläuchen zu kredenzen.
Viele Bestandteile des vorgeschlagenen Maßnahmenbündels lägen schon länger auf dem Tisch und seien nun lediglich hochglanzpoliert worden. „Ich meine, dass die Menschen in Bremen und Bremerhaven nach über einem Jahr und viel Tamtam mehr erwarten können als eine Broschüre mit einem beliebigen Sammelsurium an größtenteils altbekannten Vorschlägen und Maßnahmen“, kritisiert Carsten Meyer-Heder (CDU), der nach der Landtagswahl im Mai nächsten Jahres ins Rathaus einziehen möchte.
Dem Ertrag der Zukunftskommission mangele es an wirklich neuen Ideen und einer klaren Prioritätensetzung. „Viele der Vorschläge wie die Umsetzung von Sanierungsmaßnahmen an Gebäuden und Hafenanlagen, eine bedarfsgerechte Ausbildung von Lehrern und eine Reduzierung von Schulabgängern ohne Abschluss gehören schlichtweg zum Brot-und-Butter-Geschäft einer engagierten Regierung“, findet Meyer-Heder.
Auf diesen Gebieten gebe es kein Erkenntnisproblem, "sondern es fehlt an der Umsetzung“. Der CDU-Spitzenkandidat betont: Sollte die CDU die Bürgerschaftswahl 2019 gewinnen, werde er sich nicht an die Ergebnisse der Zukunftskommission gebunden fühlen.
„Neue Ideen sucht man vergebens“, lautet auch die Diagnose von Linken-Fraktionschefin Kristina Vogt. Im Abschlussdokument stehe „nicht allzu viel Falsches. Für ein Jahr Arbeit hätte man aber etwas mehr erwarten dürfen“, meint Vogt. Sie vermisst unter anderem eine überzeugende Antwort auf die Frage, wie heutige Arbeitnehmer durch berufsbegleitende Weiterbildung die Veränderungen in der Arbeitswelt gut überstehen können.
Bund für Umwelt und Naturschutz meldet sich zu Wort
Wie Bremen endlich seine selbst gesteckten Klimaziele erreichen kann, bleibe ebenfalls offen. Aufschlussreich findet Vogt, dass der geplante Offshore-Terminal in Bremerhaven im Abschlussdokument „nur noch als Fußnote“ vorkomme. Bei der Entwicklung der Seestadt setze der Senat offenbar nicht mehr vorrangig auf dieses in der Warteschleife befindliche Projekt.
Lencke Steiner, FDP-Fraktionsvorsitzende in der Bürgerschaft, attestiert der Zukunftskommission zwar einige „gute Ideen“, doch der „Wow-Effekt“ bleibe aus. Steiner: „Zu vieles bleibt unkonkret, und ein Preisschild sucht man vergeblich.“ Insbesondere der bildungspolitische Teil des Abschlussdokuments sei eine „Aufzählung von Selbstverständlichkeiten, die längst in der Umsetzung sein sollten“. Die „Bürger in Wut“ nehmen in ihrer Bewertung ebenfalls das Thema Bildung in den Blick.
Die angestrebte Erhöhung der Pro-Kopf-Ausgaben führe in die Irre, ist der Abgeordnete Piet Leidreiter überzeugt. Das Problem seien nicht „geringe Bildungsinvestitionen, sondern ein falsches Bildungssystem“. Leidreiter: „Das Konzept Einheitsschule, dem sich der rot-grüne Senat verschrieben hat, weist aufgrund seiner strukturellen Mängel eine schlechtere Effizienz in der Bildungsvermittlung auf als die klassische gegliederte Schule.“
Neben den Parteien meldete sich auch der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) zu Wort. Geschäftsführer Martin Rode bemängelt „weitgehend vage und unkonkrete“ Aussagen zur Klimapolitik. Doch im Jahr 2035, das den zeitlichen Endpunkt des Zukunftskonzeptes darstellt, sei „bereits die Hälfte der Zeit abgelaufen, um bis 2050 die Klimagas-Emissionen auf null zu senken“.